Cover des Buches Karlmann (ISBN: 9783421054593)
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Rezension zu Karlmann von Michael Kleeberg

Rezension zu "Karlmann" von Michael Kleeberg

von SV vor 16 Jahren

Rezension

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SVvor 16 Jahren
"Einmal Perfektion" Juli 85 - da ist der Tag an dem "Einmal Perfektion" ganz nah erreichbar scheint: Boris Becker, der jüngste Tennisprofi, der jemals ein Wimbledon Endspiel erreicht hat, spielt, der Held sitzt vor dem Fernseher, vormittags war die Trauung mit seiner Traumfrau, am Abend wird das große Fest stattfinden. Damit beginnt der Roman und schon das Tennisspiel mit allen dazu gehörenden Überlegungen braucht die ersten 50 Seiten. Ganz nah kommt dieser Tag der Perfektion, kleine Schönheitsfehler im Tagesverlauf, der Schwiegervater, ein eher einfacher Mann, man selbst ist voller schönster Hoffnungen, die Zukunft weit offen, erfolgreich im Studium, die Frau blond und wie erträumt, da kann man den Schwiegervater, vielleicht ein wenig unter Stand geheiratet, hinnehmen, der Quickie mit der besten Freundin, kurz vor Beginn des Festes, etwas missglückt und hastig - nur ein Tupfer. Aber der Vater, übermächtige und bestimmende Figur, will wohl niemand, der größer werden könnte, neben sich. Das Geschenk, das überreicht wird, macht alle Hoffnungen zunichte, alle Freiheit ist vergeblich: ein Autohaus und Charly Renn soll Geschäftsführer werden: In all den Glückwünschen, Geld verdienen! ist Charly klar, dass sein Vater ihn damit kleinmacht, aus dem Rennen wirft. In fünf Episoden, fünf Tage in den folgenden fünf Jahren, wird die Geschichte weitererzählt, vom Wünschen und Hoffen und Steckenbleiben in grotesker Mittelmäßigkeit. Ganz leicht wärs für einen mäßigen Autor, sich über sein Personal lustig zu machen, mit ihrem Scheitern zu erheitern, hinunterzuschauen auf das Mittelmaß, die bürgerliche Langweiligkeit, der nicht zu entkommen ist. Kleeberg tut das keinen Moment, er beobachtet genau, schildert deutlich, wortmächtig, treffend, leicht ironisch, aber ernsthaft die Geschichte von Wohlsein und Leid des Charly Renn. Kleeberg ist ein echter Meister der langen Sätze! Eine hohe Kunst, einen langen Satz nicht immer schneller zu machen, zu hetzen, keinen Punkt zu finden und hudlig, hastig, übertrieben zu werden. Kleeberg kann das, die Sätze bleiben gelassen langsam, auch wenn die Szene, etwa eine ausführlich geschilderte Sado-Maso Szene, Aufregung genug bietet. Gelassenheit eines Erzählers, ders kann. Sicher einer der besten Romane dieses Jahres.
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