Schleiermacher in Luthers Rock
von SeilerSeite
Rezension
Gefühle sind in. Zumindest in der Theologie spricht man zur Zeit gerne davon. Besonders im Kontext von Religion und Gefühl im Kielwasser des Theologen Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher (1768-1834). Auch das vorliegende Buch von Michael Kuch betrachtet den Glauben vorrangig unter dem Gesichtspunkt der Gefühle, dies jedoch unter dem werbewirksamen Namen Martin Luther.
Ziel des Buches ist es, zentrale Thesen von Luthers Theologie in verständlicher Weise aufzuschlüsseln und herauszustellen, worin für den Reformator das "Lebensgefühl des Glaubens" bestand. Dadurch, so die Hoffnung, bleibt der große Theologe kein Abstraktum, sondern rückt an die Fragen unserer Zeit heran.
Der Einstieg geschieht, unter dem Verweis auf Schleiermacher (S. 31), über die Frage, was denn eigentlich "Lebensgefühl" bedeutet und was das mit dem Glauben zu tun hat. Danach wird die Grundkonstante des Vertrauens im Glauben betrachtet. Schließlich werden weitere zentrale Themen Luthers existentiell erschlossen: der Sinn des Gesetzes, die befreiende Erfahrung der Rechtfertigung, das frohmachende Evangelium, die Freiheit eines Christenmenschen. Im letzten Kapitel kommt Kuch dann auf den "Gottesmut" zu sprechen als einem ermutigenden Schlussfazit aus Luthers Theologie.
Zur Unterstützung der Thesen enthält der Fließtext kurze Ausschnitte aus passenden Lutherschriften. Im Anhang finden sich dann zum selbstständigen Weiterlesen nochmals vertiefende Texte, z.B. Luthers Auslegung des Ersten Gebots im Großen Katechismus, aber auch wichtige allgemeine Texte wie das apostolische Glaubensbekenntnis oder der fünfte Artikel der Augsburger Konfession. Kuch erklärt schwierige Passagen von Luthers Theologie für Laien verständlich, z.B. den verschiedenen Gebrauch des Gesetzes in Kapitel 4.
Trotzdem sollte dem Leser bewusst sein, dass Kuchs Buch eben eine Lutherdeutung aus einer bestimmten Perspektive (im Gefolge Schleiermachers) darstellt. Man könnte den Reformator ebenso in ganz anderer Weise als wichtig für den heutigen Menschen beschreiben. Als einziges Buch zum Kennenlernen von Luthers Theologie greift "Herzenssache und Gottesmut" daher zu kurz.
Am besten ist es natürlich, selbst in die Originalschriften von Luther hineinzuschauen und sich ein Bild davon zu machen (beim Kleinen und Großen Katechismus sind seine Worte auch gut verständlich). Doch ebenso kann eine andere Einführung die Perspektive weiten (das muss ja nicht gleich eine tausendseitige Biografie sein).