Ich mag ja Gerichtsgeschichten sehr gerne und habe mir früher oft in der Jugend die Kronenzeitungs-Kolumne Das heitere Bezirksgericht durchgelesen. Das war auch der Grund, warum ich ganz intuitiv und freudig zu diesem kleinen Büchlein gegriffen habe. Ok, dass ich nicht die Qualität von Ferdinand von Schirachs Gerichtsgeschichten in Schuld, Verbrechen und Strafe erwarten kann, war mir natürlich von vornherein klar, aber diese Stories sind von ihrer Qualität her nicht nur ein bisschen schlechter als jene des Bestsellerautors, sondern im Niveau auch noch unter der Kronenzeitungskolumne.
Erstens sind die Geschichten viel zu kurz und stiften trotz ihrer wenigen Protagonisten ganz schön viel Verwirrung. Oft weiß man gar nicht, bei den im Stakkato herumwimmelnden Protagonisten in Form von Anfangsbuchstaben mit Punkt – im Zeitungsschreibstil typisch mit S. W. F. P. ... bezeichnet, - ob es sich um den Angeklagten oder welchen von den Mitangeklagten, den Kläger, einen der Zeugen oder sonst wen handelt. Lediglich Richter, Staatsanwälte und Verteidiger haben überhaupt Namen. Selbstverständlich muss im Sinne der Anonymität bei den echten Namen Vertraulichkeit gewährleistet sein, weil es sich um echte Verfahren handelt, aber ohne Hintergrundbeschreibung und tieferer Analyse verwechselt man zwangsläufig diese Buchstaben und Protagonisten. Das Problem der Anonymität hätte ja auch viel eleganter mit Alias Namen gelöst werden können.
Zweitens sind die Geschichten nicht nur viel zu kurz, sondern auch langweilig. Ob dies jetzt an den fehlenden Hintergrundinformationen, den Motiven, der Auswahl oder der Erzählweise liegt, kann ich nicht ganz eindeutig sagen, wahrscheinlich ist es eine Mischung der Faktoren. Die Stories sind jedoch für mich alle entbehrlich und teilweise so banal und langweilig erzählt, dass ich wirklich überrascht war, denn sogar am Bezirksgericht Krems spielte sich in den letzten 20 Jahren viel Spannenderes und Spektakuläreres ab, als hier zu lesen war (Kenne eine Reporterin von den Niederösterreichischen Nachrichten NÖN).
Fast scheint es mir, als hätte mir der Autor seine bruchstückhaften Mitschriften und Notizen 1:1 unbearbeitet direkt aus dem Gerichtssaal serviert, anstatt diese für das Lesepublikum in verständliche Episoden und interessante Geschichten zu transformieren. Also entweder gehören diese Fragmente ins Archiv beziehungsweise gleich in die Rundablage, oder sie gehören ordentlich ausformuliert und mit Handlung und Motiven unterfüttert, ausgebaut und ordentlich erzählt. Erst dann wird ein ordentliches Buch daraus. Ferdinand Schirach zeigt übrigens, wie so etwas geht in seinen ersten Werken.
Fazit: Gar nicht gut!