Cover des Buches The Shadow Hunter (ISBN: 9781611095463)
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Rezension zu The Shadow Hunter von Michael Prescott

Spannender Pageturner ohne großen literarischen Anspruch

von WolffRump vor 11 Jahren

Rezension

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WolffRumpvor 11 Jahren
Genre:
Thriller.

Umfang:
Ca. 385 (TB, Print).

Serie:
Ja (Abby Sinclair).

Inhalt:
Die als freiberufliche Risiko-Analystin für eine Sicherheitsfirma in LA arbeitende Abby Sinclair ahnt nicht, dass sie in ein Wespennest sticht, als sie den Fall einer TV-Sprecherin übernimmt, die von einem Mann belästigt wird. Abby gelingt es, das Vertrauen des Stalkers zu erwerben und schnell wird ihr klar, dass der Mann den Tod seiner Angebeteten plant, weil er sich von ihr hintergangen fühlt. Als Abbys Tarnung auffliegt, eskaliert die Situation und sie gerät selbst in das Fadenkreuz des Psychopathen und seines nicht minder gefährlichen Partners.

Perspektive:
Wechselnde personale Perspektiven der wichtigsten Figuren. Insbesondere der Protagonistin und dem Stalker als ersten Antagonisten wird hierbei viel Raum gegeben. Oft kombiniert Prescott die Perspektivwechsel geschickt mit Cliff Hangern, die den Leser ‚bei der Stange halten’. Die Häufigkeit der Perspektivwechsel korrepondiert mit der Spannungsentwicklung. Je mehr Action im Plot stattfindet, desto häufiger wechseln die Perspektiven, so dass in diesen Passagen auch formal eine hohe Geschwindigkeitswahrnehmung beim Leser erzeugt wird.

Der Nachteil vieler Erzählender kommt allerdings auch in dieser Story zum Tragen. Die Identifikation mit der Hauptfigur ist geringer, als bei einer singulären Sichtweise. Bei einem schnellen Thriller kann man dieses Manko jedoch tolerieren.

Erzählzeit:
Vergangenheit.

Setting:
Los Angeles, insbesondere Malibu und Hollywood (der Stadtteil Hollywood hört sich toll an, er ist aber ein kriminelles Pflaster und hat nichts mit Beverly Hills zu tun). Der Gegensatz zwischen dem Überfluss der Stalkingopfer und dem gesellschaftlichen Abseits, in dem sich die meisten Star-Stalker selbst befinden, wird stark vereinfacht, aber bildlich trotzdem gut umgesetzt. Dass auch die Fassade des Life Styles der Stars ihre Risse hat, ist ein Umstand, mit dem der Autor geschickt spielt. Wer sich in Malibu auskennt, wird übrigens feststellen, dass Prescott ‚sein Revier’ sehr genau recherchiert hat. Das bewachte Reichenghetto in Malibu, das Prescott schildert ,ist die sog. ‚Malibu Colony’, in der sich Tom Hanks und Leo di Caprio vor ihren mehr oder weniger hartnäckigen Fans verstecken. (Prescott hat den Ort, der mich trotz Hauspreisen um die 10 Mio $ immer an eine Schrebergartenkolonie erinnert, allerdings umbenannt. Vermutlich aus juristischen Gründen.)
Zu den authentischen Locations kommen in den Actionszenen Settings, die per se bildlich bedrohlich wirken (leerstehendes Hochhaus, dunkler Waschkeller, das Sumpfgebiet der Malibu Lagoon) Das Kopfkino wird durch die Settings gut bedient.

Struktur und Spannungsbogen:
‚The Shadow Hunter’ ist ein hochspannender Thriller, der ein Phänomen, das nahezu jeden Star in LA (auch die männlichen) betrifft, geschickt nutzt, um ein Bedrohungsszenario zu entwerfen. In Kalifornien ist Star-Stalking so verbreitet, dass hierfür eigene Gesetze verabschiedet werden mussten, um das Problem zumindest rechtlich in den Griff zu bekommen. Auch wenn das Ausgangsszenario in Deutschland nicht gleichermaßen relevant und bekannt ist, dürften insbesondere Leserinnen die Bedrohung leicht nachvollziehen können.

Dadurch, dass Prescott bereits im Prolog einen Fall aufgreift, bei dem Abby aus ihrer Sicht gescheitert ist (mit der Konsequenz eines getöteten Mandanten) wird dem Thema Stalking sogleich ein thrillerwürdiges Bedrohungspotenzial an die Hand gegeben.

Auch wenn der Stalker von Anfang an bekannt ist, nutzt Prescott zahlreiche Twists, um den Leser zu verwirren und neue Figuren ins Spiel zu bringen.

Das Manko: an einigen Stellen wirkt ‚The Shadow Hunter’ zu schnell gestrickt; m. a. W. die Handlungen entwickeln sich nicht immer aus einer ausreichenden Motivation der Figuren heraus. Krimifreunde werden den ein oder anderen Logikbruch bemerken, aber man kann, wenn man sich auf diese Art des Buches (s. u.) einlässt, darüber hinwegsehen. Auf die Bsp., die mir aufgefallen sind, muss ich ausnahmsweise verzichten, da man sich die Lektüre von ‚The Shadow Hunter’ danach sparen könnte.

Hauptcharaktere:
Abby Sinclair: Protagonistin, Privatermittlerin (Risiko Assessment), Einzelgängerin, wehrhaft, bisweilen ruppig, kämpft seit dem Tod eines Mandanten mit Schuldgefühlen, verbeisst sich in den Fall und geht viele Risiken ein, um ihre Schuld abzutragen, hohes Empathiepotenzial (Mut, Ehrlichkeit, sympathische Schwächen)
Raymond Hickle: 1. Antagonist, Psychopath, gewalttätig, impulsiv, soziophobes Verhalten, fixiert sein Leben auf seinen Star, naiv, für mich die beste Figur, da ambivalent: obwohl sein Verhalten verachtenswert ist, wünscht man ihm eine Liebe, die ihn rettet; als Abby sich mit ihm anfreundet, verändert sich sein Verhalten zum Positiven – durch ihren Verrat (aus seiner Sicht) stürzt er nur noch tiefer (angedeuter doppelter Wertewandel: -+-)
Kris Barwood: Opfer, Nachrichtensprecherin, schön, fühlt sich mit 40 dennoch zu alt, wird von ihrem Mann betrogen, was sie ahnt, relativ flacher Charakter
Howard: ihr Mann, reich, Schürzenjäger, willensschwach
Travis: Abby’s Chef, Besitzer eines Sicherheitsunternehmens mit Starkundschaft, zugleich Abby’s Liebhaber, beide schätzen ihre Unabhängigkeit; er bekommt zum Ende der Story Bedeutung, dennoch flacher Charakter
Wyatt: Polizist, mit Abby befreundet, er liebt sie, ohne ihr seine Zuneigung zu gestehen; wird zum Ende der Story wichtiger, ansonsten flach

Durch die diversen Beziehungskonstellationen der Story zieht sich ein Leitmotiv: unerwiderte Liebe. Und diese Schwäche ist es auch, die die Figuren empathisch macht, weil wir uns mit ihnen identifizieren können. Selbst das an sich verachtenswerte Verhalten des Antagonisten bekommt durch das Leitmotiv eine Form von Nachvollziehbarkeit. Man merkt, dass auch er leidet und an etwas krankt, was für ihn schicksalsgebend ist. Der/das reine Böse ist für einen Thriller unbrauchbar. Der Leser muss zumindest die Chance haben, ein klein wenig Antagonist spielen zu können, um die Konflikte zwischen und innerhalb (das sind die wichtigeren) der Figuren erspüren zu können. Ohne Konflikt – keine Spannung, nur Action.

Ich will jedoch keine falschen Erwartungen erzeugen: ‚The Shadow Hunter’ ist ein schneller Thriller – kein Entwicklungsroman, der der Entfaltung seiner Figuren den nötigen Raum gibt, und in dem selbst die Nebenfiguren einen Wertewandel durchlaufen. Abgesehen von Abby und Hicks sind alle relativ Figuren flach. Keine einzige macht einen echten Wertewandel durch.

Sprache/Duktus: (nur in Bezug auf das amerikanische Original)
Die Sprache ist in ihrer Struktur einfach, jedoch hochprofessionell und sie korrespondiert gut mit der inhaltlichen Entwicklung des Textes. Ausgefallene Metaphern und eine Virtuosität im Hinblick auf die Verbalisierung und den Satzbau wird man jedoch vergeblich suchen. Die Anstöße für das Kopfkino entstehen aus der Handlung, nicht aus dem Spiel mit der Sprache.

Fazit:
Wer einen spannenden Pageturner für den Urlaub oder das abendliche Abschalten sucht, während der Partner sich an DSDirgendwas vergeudet, der wird mit ‚The Shadow Hunter’ ideal bedient. Wer sprachlich und inhaltlich mehr erwartet, gar intellektuelle Lerneffekte zeitigen möchte, der findet, sofern er dem Genre überhaupt treu bleiben möchte, angemessenere Lektüre (z. B. Ellroy für die Anglophilen oder Izzo für die Frankophilen).
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