Rezension zu Jenseits von Gut und Böse von Michael Schmidt-Salomon
Intelligentes Lesevergnügen, wenn es kritisch gelesen wird
von tob82
Kurzmeinung: Intelligentes Lesevergnügen, wenn es kritisch gelesen wird
Rezension
tob82vor 8 Jahren
Ich habe beschlossen, es jetzt doch mal mit einer Rezension des Buches zu versuchen. Ich bin vorsichtig damit, weil ich, je mehr ich mich mit dem Inhalt und der Rezeption des Buches beschäftige, immer unsicherer werde, wie man das Buch "fair" bewerten soll. Also: als ich das Buch zum ersten Mal gelesen habe, war ich absolut begeistert. Der Stil ist ansprechend und flüssig und das Thema und die Argumentation werden auf interessante und oft sogar spannende Weise dargestellt. Außerdem gewinnt man schnell den Eindruck, dass der Autor wirklich einen tiefen Einblick in das Themengebiet besitzt.
Auf den Inhalt möchte ich nicht mehr im Detail eingehen. Ich denke, dass das andere Rezensenten schon sehr ausführlich getan haben. Nur soviel: der Autor zeigt auf angenehm rationale Weise, dass wir selbst in unserer "modernen" Gesellschaft immer noch der religiösen Weltsicht von "Gut und Böse" anhängen. Diese Sichtweise basiere auf der Annahme, dass der Mensch einen freien Willen besitzt. Mit Hilfe der Evolutionsbiologie und der modernen Neurowissenschaften kommt er zu dem Schluss, dass dem nicht so sei und entwickelt daraufhin eine Ethik, die frei von Schuld und Sühne zu einem weitaus rationaleren Umgang mit dem Fehlverhalten von Menschen führt. Auch zeigt er auf, dass ein Abschied von der Willensfreiheit keineswegs zu Nihilismus oder ethischem Relativismus führt.
Die scheinbar undogmatische und logische Argumentation hat - obwohl ich mich zwischendurch immer wieder mal gefragt habe, ob die wissenschaftliche Basis, v.a. die Ablehnung der Willensfreiheit durch die Hirnforschung, auch korrekt ist - dazu geführt, dass ich das Buch nahezu in den Himmel gehoben habe. Ich war vom Inhalt überzeugt und fragte mich mal wieder, ob der Naturalismus/Materialismus nicht doch eine ausreichende Erklärung der Welt liefere. Erst als wir in einer Philosophiegruppe über das Buch diskutierten und ich mich anschließend mit anderen Rezensionen des Buches befasste wurde mir klar, dass ich das Buch zu unkritisch beurteilt hatte. Streng genommen ist die zentrale Prämisse des Buches, nämlich das Nichtvorhandensein von Willensfreiheit, wissenschaftlich nicht haltbar. Selbst renommierte Hirnforscher wie z.B. Wolf Singer halten die Frage nach wie vor für offen (s. z.B. seinen Vortrag "Philosophische Implikationen der Hirnforschung", Leipzig 2007). Zwar halte ich die Unterscheidung des Autors zwischen Willens- und Handlungsfreiheit für interessant, aber leider lässt er viele Details (z.B. warum ausgerechnet das "Prinzip Eigennutz" den Determinismus der menschlichen (Un-)Freiheit aufhebt) im Dunkeln. Dogmatisch könnte man jetzt behaupten, dass seine komplette Argumentation damit in sich zusammenfällt. Soweit möchte ich aber sicherlich nicht gehen. Ich halte das Buch auch weiterhin für sehr lesenswert. Es ist ein Buch, das zum philosophischen Nachsinnen einlädt und viele interessante Fragen aufwirft. Wichtig ist wie gesagt nur, dass man sich nicht zu sehr in der Argumentation des Autors verliert und seine Argumente kritisch für sich überprüft. Dann steht einem intelligenten Lesevergnügen nicht mehr im Wege.
Auf den Inhalt möchte ich nicht mehr im Detail eingehen. Ich denke, dass das andere Rezensenten schon sehr ausführlich getan haben. Nur soviel: der Autor zeigt auf angenehm rationale Weise, dass wir selbst in unserer "modernen" Gesellschaft immer noch der religiösen Weltsicht von "Gut und Böse" anhängen. Diese Sichtweise basiere auf der Annahme, dass der Mensch einen freien Willen besitzt. Mit Hilfe der Evolutionsbiologie und der modernen Neurowissenschaften kommt er zu dem Schluss, dass dem nicht so sei und entwickelt daraufhin eine Ethik, die frei von Schuld und Sühne zu einem weitaus rationaleren Umgang mit dem Fehlverhalten von Menschen führt. Auch zeigt er auf, dass ein Abschied von der Willensfreiheit keineswegs zu Nihilismus oder ethischem Relativismus führt.
Die scheinbar undogmatische und logische Argumentation hat - obwohl ich mich zwischendurch immer wieder mal gefragt habe, ob die wissenschaftliche Basis, v.a. die Ablehnung der Willensfreiheit durch die Hirnforschung, auch korrekt ist - dazu geführt, dass ich das Buch nahezu in den Himmel gehoben habe. Ich war vom Inhalt überzeugt und fragte mich mal wieder, ob der Naturalismus/Materialismus nicht doch eine ausreichende Erklärung der Welt liefere. Erst als wir in einer Philosophiegruppe über das Buch diskutierten und ich mich anschließend mit anderen Rezensionen des Buches befasste wurde mir klar, dass ich das Buch zu unkritisch beurteilt hatte. Streng genommen ist die zentrale Prämisse des Buches, nämlich das Nichtvorhandensein von Willensfreiheit, wissenschaftlich nicht haltbar. Selbst renommierte Hirnforscher wie z.B. Wolf Singer halten die Frage nach wie vor für offen (s. z.B. seinen Vortrag "Philosophische Implikationen der Hirnforschung", Leipzig 2007). Zwar halte ich die Unterscheidung des Autors zwischen Willens- und Handlungsfreiheit für interessant, aber leider lässt er viele Details (z.B. warum ausgerechnet das "Prinzip Eigennutz" den Determinismus der menschlichen (Un-)Freiheit aufhebt) im Dunkeln. Dogmatisch könnte man jetzt behaupten, dass seine komplette Argumentation damit in sich zusammenfällt. Soweit möchte ich aber sicherlich nicht gehen. Ich halte das Buch auch weiterhin für sehr lesenswert. Es ist ein Buch, das zum philosophischen Nachsinnen einlädt und viele interessante Fragen aufwirft. Wichtig ist wie gesagt nur, dass man sich nicht zu sehr in der Argumentation des Autors verliert und seine Argumente kritisch für sich überprüft. Dann steht einem intelligenten Lesevergnügen nicht mehr im Wege.