Cover des Buches Liebe, Lust und Ehebett (ISBN: 9783701505777)
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Rezension zu Liebe, Lust und Ehebett von Michael Schmitz

Über langjährige Beziehungen

von kalligraphin vor 9 Jahren

Kurzmeinung: Ein sehr wertvoller Ratgeber, der zur Selbstreflexion ermutigt und Dinge offen und mutig anspricht, die sonst verschwiegen werden.

Rezension

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kalligraphinvor 9 Jahren

'Es ist mit Affären so wie mit Krisen überhaupt, wir kommen besser mit ihnen klar, wenn wir akzeptieren, dass sie eintreten können.'

‚Liebe, Lust und Ehebett‘ ist kein Ratgeber im eigentlichen Sinne des Wortes, bei dem ein Zwölf-Stufen-Programm genaue Anweisungen durch den krisengebeutelten Alltag einer langjährigen Beziehung gibt. Vielmehr beschreiben die beiden Autoren, was eine langjährige Beziehung ausmacht und welche Problematiken die lange gemeinsame Zeit einfach irgendwann mit sich bringt. Nicht immer müssen diese Alltagsproblemchen gleich zu ausgewachsenen Krisen werden. Aber es kann doch nie verkehrt sein, sich diese völlig normalen Phänomene einer Beziehung vor Augen zu halten und so den eigenen Blick dafür zu schärfen. Denn dann kann man rechtzeitig eingreifen, sich zur Ruhe rufen, und große Probleme schleichen sich erst gar nicht ein.

Die beiden Autoren – selbst Ehepaar und gleichzeitig gemeinsam arbeitende Therapeuten - fordern dazu auf, sich vor eventuellen Beziehungskrisen gedanklich zu wappnen und versuchen sie und ihre Entstehung zu erklären. Sie weisen auf die schleichenden und sehr normalen Prozesse in einer langen Partnerschaft und die – teilweise konträren, sehr persönlichen, häufig nicht einmal ausgesprochenen – Wünsche und Bedürfnisse der beiden Partner hin. Sie fordern auf, die Individualität des Partners anerkennen. Sich vor Augen zu halten, dass sie es ist, die ihn zu dem liebenswerten und interessanten Menschen macht. Sie warnen vor der totalen Symbiose zweier Menschen, die keinen Raum für die eigene Persönlichkeit und deren Entwicklung lässt. Und sie entzaubern den Rausch der Gefühle in der Phase des Verliebtseins, der zwar wunderbar und aufregend, aber mit demselben langjährigen Partner nicht auf Dauer erlebbar ist.

Der Wunsch nach Anerkennung und Bewunderung – auch bei anderen Menschen – ist etwas sehr Menschliches und auch, dass wir mehrere Menschen gleichzeitig und für völlig unterschiedliche Eigenschaften lieben können. Dennoch sind diese Gefühle etwas, das wir uns in einer monogamen Beziehung nicht zugestehen. Die uns, wenn wir sie an unserem Partner wahrnehmen, in unserer Persönlichkeit angreifen und zutiefst verletzen. Diesen Wunsch nach absoluter Exklusivität richten wir besonders dann an unseren Partner, wenn es um Sex geht. Wir setzen Sex hier mit Liebe gleich und übersehen dabei, dass sexuelles Verlangen und unbändige Leidenschaft sich nach vielen Jahren nicht mehr auf den einen Partner richten können wie zu Beginn der Beziehung.

(Das Buch ist übrigens kein Aufruf zum Fremdgehen! Es wird lediglich dazu geraten, Affären als mögliches Problem einer langjährigen Beziehung anzuerkennen und ihnen nicht mehr Raum zuzugestehen als sie wert sind.)

Dieses Buch zeigt auf, wo wir in unseren Beziehungen einem romantischen Idealbild nachlaufen, wann wir Anforderungen an unseren Partner stellen, denen er (und auch ein anderer!) auf Dauer gar nicht gerecht werden kann. Dass viele unserer Idealvorstellungen gar nicht kombinierbar sind und eine Partnerschaft einfach überfordern müssen. Und dass es vielmehr um den Menschen selbst geht, mit dem wir zusammen leben möchten, als um unsere gesellschaftlichen und persönlichen Projektionen in die Beziehung.

Manchmal leidet die Struktur des Buches ein wenig darunter, dass hier kein konkreter Ratgeber vorliegt und so viele Themen und Phänomene einer Beziehung angesprochen werden. Doch ‚Liebe, Lust und Ehebett‘ ist ein sehr wertvolles Buch, das zur Selbstreflexion anhält und Dinge offen und mutig anspricht, die sonst verschwiegen werden.

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