Die Fußballweltmeisterschaft ist alle vier Jahre wieder ein Spektakel, das für Wochen einen Großteil der Erdbevölkerung vor der Mattscheibe bannen wird. Und letztes Jahr waren die Augen der Welt auf Südafrika gerichtet, das als erstes Land des "schwarzen Kontinents" Gastgeber dieses Turniers gewesen ist. Rechtzeitig hatte darauf auch der Eichborn Verlag reagiert, dessen Lektorenteam mit Michael Stanley einen neuen Kriminalautor an Bord holen konnte. Hinter diesem Pseudonym stehen zwei emeritierte Professoren aus Südafrika, Michael Sears und Stanley Trollip, die mit "Kubu und der Tote in der Wüste" den in ihrer Wahlheimat Botswana spielenden Erstling einer geplanten Reihe an den Start bringen. Ein hinsichtlich des Marketings geschickter Schachzug des Verlags mit der Fliege, der aber natürlich auch einer näheren Prüfung standhalten muss - und dies leider nicht über die volle Distanz kann.
„Kubu“ bedeutet auf Setswana „Flusspferd“ und ist der Spitzname von Assistent Superintendent David Bengu vom Criminal Investigation Department (CID), das seinen Sitz in der Hauptstadt Gaborone hat. Der Name, den er von seinem Schulfreund Angus Hofmeyr in jungen Jahren verpasst bekommen hat, ist treffend gewählt und passt zu seinem Temperament: Ein fröhlicher, lockerer und umgänglicher Mensch, kann er zur Plage jedes Verbrechers werden, wenn er einmal ein Ziel vor Augen hat und dies unerbittlich verfolgt. Und auch der körperliche Umfang, der ihm von seinem Vorgesetzten Jacob Mabaku, dem Direktor des CID, bei jeder passenden Gelegenheit vorgehalten wird, kann eine gewisse Ähnlichkeit mit einem schwerfälligen Dickhäuter nicht verleugnen. Ein Grund weshalb er oft unterschätzt wird, zumal viele vergessen, dass Afrika gefährlichstes Tier weder Löwe noch Krokodil sind, sondern eben Kubu - das Flusspferd. Das kommt dem Ermittler auch dieses Mal entgegen, als ein ungewöhnlicher Mordfall seine Fähigkeiten auf eine harte Probe stellt:
An dem heiligen Kamissa-Wasserloch im Zentralen Kalahari-Wildreservat werden die spärlichen Überreste einer Leiche gefunden. Von Geiern und Hyänen abgenagt, ist am Skelett nicht viel übrig geblieben, was eine Identifizierung möglich machen könnte und es kommt erschwerend hinzu, dass der Mörder, denn Mord war es, seine Spuren bestens verwischt hat. Dem Opfer wurden sämtliche Zähne ausgeschlagen und auch ein Arm fehlt. Abdrücke von Reifen verlieren sich in den nahe liegenden Sanddünen. Kubu, der äußerst widerwillig seinen Bürosessel gegen den Autositz getauscht und eine lange Fahrt durch die trockene Wüste auf sich genommen hat, steht bei seiner Ankunft vor einem Rätsel. Keiner scheint den Toten zu kennen und niemand wird vermisst. Im Umkreis von vielen Kilometern gibt es nichts außer trostloser Einöde. Wie wurde die Leiche an diesen Ort geschafft?
Kubu geht jedem kleinsten Indiz nach, bis er schließlich bei BCMC, der Botswana Cattle und Mining Company, landet. Dessen Vorsitzender ist Cecil Hofmeyr, Angus‘ Onkel, der in wenigen Wochen die Führung des riesigen Unternehmens an seinen Neffen abgeben soll. Hat der Ermordete vielleicht etwas mit der Diamantenmine von BCMC zu tun? Und weiß sein alter Freund Angus vielleicht mehr als er verrät? Kubu nimmt Witterung auf und wühlt sich durch das korrupte Netz der High Society, bis er schließlich selbst in Gefahr gerät …
Botswana als Handlungsschauplatz eines Krimis, das ist nicht ganz neu. Der ein oder andere Leser wird sich an die Mma Ramotswe-Krimis von Alexander McCall Smith erinnern und möglicherweise vorab Vergleiche ziehen wollen. Auch der Verlag selbst weist als Werbung daraufhin, was ich nach Beendigung der Lektüre als unklug erachte, da die einzige Gemeinsamkeit letztlich wirklich nur im Ort der Krimihandlung besteht. Ansonsten geht „Kubu und der Tote in der Tote“ vollkommen eigene Wege, zumal es ein Afrika präsentiert, das man so bislang eher nicht kennen gelernt hat. Im Gegensatz zu den umliegenden Ländern Namibia oder Simbabwe ist Botswana ein politisch äußerst stabiles Land. Seit es 1966 vom britischen Protektorat in die Unabhängigkeit entlassen worden ist, hat es sich, auch dank dem Tourismus und der unglaublich ertragreichen Diamantenminen, rasant schnell entwickelt. Geleitet von einer friedlichen Demokratie, verfügt das Land dabei unter anderem auch über äußerst engagierte und effiziente Polizeikräfte sowie über ein Rechtssystem, das auf Bestrafung und Rehabilitation setzt. Für westliche Leser ein ungewohnter Anblick, da man, auch dank der Bilder im Fernsehen, Afrika vor allem mit Chaos, Hungersnöten und rauer Wildnis verbindet.
Hierin besteht allerdings auch in gewissem Sinne eine Gefahr, denn streckenweise kommt es einem so vor, als würde das Autorenduo Botswana ein wenig zu sehr über den Klee loben. Kubu selbst stammt aus ärmlichen Verhältnissen, konnte aber natürlich dennoch eine hervorragende Schulbildung in Anspruch nehmen und sich in der Polizeitruppe schnell nach oben arbeiten. Nach Feierabend diniert man gemeinsam mit Frau Joy auf der Terrasse, trinkt teuren Wein und betrachtet verträumt den Sternenhimmel. Und mindestens einmal in der Woche wird Kubus Eltern eine Aufwartung gemacht, die ihrerseits mit einem Festmahl ihre Lieben verwöhnen. Harmonie, „Laissez-Faire“-Einstellung und ein schon fast kolonialistisch-englisches Oberschichten-Gehabe vermögen nicht so recht zu dem sonst eher sympathischen Ermittler Kubu passen. Der Klappentext preist ihn als eine Mischung als Columbo und Nero Wolfe an. Das Buch offenbart aber schließlich einen botswanaschen Thomas Lynley.
Das daran der Krimi und dessen Glaubwürdigkeit letztendlich nicht vollkommen scheitert, ist den einfach großartigen Landschaftsbeschreibungen geschuldet, welche den schwarzen Kontinent in seiner ganzen Schönheit vor dem inneren Auge des Lesers erscheinen lassen. Zwischenzeitlich hat man das Gefühl, einen Bildband in Händen zu halten, derart bildreich und farbenfroh erweckt das Autorenteam die landschaftliche Vielfalt Botswanas zum Leben. Allein davon kann natürlich aber ein Kriminalroman auch nicht leben. Und so mysteriös die Umstände des Mordes erscheinen, so werden Vielleser dieses Genres den wahren Hintergründen der Tat ziemlich schnell auf die Spur kommen. Zumindest weitaus schneller als Kubu, der viel zu behäbig, wirklich jeden Stein zweimal umdreht und den Tag stets mit einem feinen Abendmahl beenden lässt. Bei einem Buch mit gut 540 Seiten bedeutet das den frühen Tod eines eventuellen Spannungsaufbaus.
Besonders im ersten Drittel wird der Leser zudem mit einer Fülle von Charakteren konfrontiert und in Rückblicken auf Zeitreise geschickt, während sich im eigentlichen Krimifall bis auf die Routinearbeit nicht viel tut. Michael Sears und Stanley Trollip wollten augenscheinlich einen sehr genauen Blick auf die botswanasche Polizeiarbeit werfen. Das ist gelungen, führt aber leider dazu, dass der roten Faden verloren geht. Polizeiroman? Wissenschaftsthriller? Forensikkrimi? Was genau sollte „Kubu und der Tote in der Wüste“ denn jetzt eigentlich werden? Hier wurde ein Spagat versucht, an dem man letztendlich gescheitert ist.
Ein schlechtes Buch also? Keine Einschätzung, die dieser Titel wirklich verdient hätte, da die Autoren mit durchaus gefälliger und guter Sprache (Der Roman wurde aus dem südafrikanischen Englisch übersetzt) auftrumpfen können und immer wieder andeuten, dass sie ihr Handwerk verstehen. Besonders auf den letzten zweihundert Seiten entwickelt sich dann auch so was wie ein Lesezwang, da die Ereignisse sich überschlagen und zielgerichteter, wenn auch manchmal unlogisch (Ein wochenlang gesuchter Mehrfachmörder wird unter die Bewachung eines blutjungen Polizisten gestellt und flieht), vorangetrieben werden. Auch das Thema Blutdiamanten, das spätestens seit dem Film „Blood Diamond“ auch in Europa angekommen ist, wird erfrischend neu interpretiert und intelligent in den Plot mit eingeflochten. Um auf ganzer Linie überzeugen zu können, reicht das dann jedoch nicht.
Insgesamt ist „Kubu und der Tote in der Wüste“ ein Debüt mit viel Licht und Schatten, das über einige gute Ansätze leider nicht herauskommt. Wer hier einen ähnlich unterhaltsamen Krimi wie Colin Cotterills „Dr. Siri und seine Toten“ erwartet, wird hier wohl oder übel enttäuscht werden. Potenzial ist allerdings, besonders in den Figuren vorhanden. Es bleibt zu hoffen, dass die Autoren dies im Nachfolger, der voraussichtlich 2011 erscheinen wird, abrufen können.