Rezension zu "Der Kampf um die Würde" von Michael Steinbrecher
„Denn eine Gesellschaft ist so integer, wie es ihr gelingt, auch die Würde der Schwachen in Grenzsituationen zu schützen. Wenn wir beginnen, unwürdige Zustände eines gewissen Prozentsatzes unserer Gesellschaft als hinnehmbare Begleiterscheinung einer Wohlstandsgesellschaft zu sehen, in der es den meisten doch gut geht, hat sie ihre innere Integrität verloren. Dann ist die Würde nur noch ein Wort, nicht mehr.“ (Zitat aus dem Buch Der Kampf um die Würde)
Der Autor des Buches Der Kampf um die Würde, Michael Steinbrecher, moderiert seit 2015 die Sendung „Nachtcafé“ im SWR. Diese Arbeit war Anlass für ihn, ein wenig ausführlicher über seine Gäste und deren Anliegen zu berichten. Er recherchierte intensiv und traf sich mit den hier Aufgeführten viele Male. Heraus kam ein beeindruckendes Werk, das eine Pflichtlektüre für Politiker sein sollte. Nur Blabla hilft keinem und die Gemeinschaft ist nur so stark, wie ihr schwächstes Glied.
Herr Steinbrecher beginnt mit dem Satz: Ist unsere Gesellschaft noch gerecht? Die Antwort kann sich jeder Leser selbst geben, sobald er das Buch beendete. Es werden einige Bücher zum Thema erwähnt und auch beschrieben, was der Anlass zum Schreiben dieses Werkes war. Zunächst lernt der Leser Kinder und Jugendliche kennen, die aufgrund ihrer finanziellen Situation gehänselt werden. Es ist von Familienarmut die Rede und nicht von Kinderarmut. Das wäre der falsche Begriff. Die Betroffenen sind ausgegrenzt und können sich weder Klassenfahrt noch Kino oder Pommes von Mac Donald erlauben. Schlimm sind die Urteile der Mitmenschen. Steinbrecher schreibt dazu: Wir haben nicht das Recht, nur nach äußerem Schein abschließend zu urteilen.
Nach den Gesprächen mit Kindern folgt jenes mit Menschen, die in der „Mitte der Gesellschaft“ leben. Bis zu dem Zeitpunkt, wo ihnen die günstige Wohnung gekündigt wird. Sie müssen eine Notunterkunft beziehen, weil es keinen bezahlbaren Wohnraum für sie gibt. Unfassbar? Oh ja und es kann jeden heute oder morgen treffen. Danach kommen Berichte von Menschen, die durch Fehlkalkulationen in die Armut rutschten oder durch Krankheit ihre Arbeit verloren und Obdachlos wurden. Wussten Sie eigentlich, wie ausgeprägt die „moderne Zwangsarbeit in Deutschland“ ist? Ich nicht und es ist nicht nachvollziehbar, dass es hier so etwas gibt.
Fragen nach der Altersarmut geht Herr Steinbrecher in Der Kampf um die Würde ebenso hinterher wie jener, nach der Würde in der Pflege. Hier geht es um drei Seiten: der des Pflegebedürftigen, des Pflegepersonals und der Angehörigen. Ganz widerwärtig sind die „Unternehmer“, welche mit schlechter Pflege auch noch Rendite machen wollen.
Der Autor schreibt in einem Kapitel sehr privat und emotional. Das zeigte mir, wie genau er weiß, wovon er schreibt. Er erlebte die Situationen selbst hautnah. Das berührt und macht ihn für mich absolut glaubwürdig. Zum Schluss des Buches kommen noch unterschiedliche Erlebnisse zur Sprache, die das selbstbestimmte Sterben betreffen. Sollte es auch in Deutschland möglich sein, dass ich als Schwerkranker bestimme, wann ich sterbe?
Auf den letzten Seiten fasst Herr Steinbrecher alle wichtigen Punkte noch einmal zusammen. Für mich die wichtigste Erkenntnis nach einmaligem Lesen:
Die Würde des Menschen ist unantastbar!? Auch die Würde der Menschen, die in Grenzsituationen leben?
Das Buch werde ich noch häufiger lesen. Nicht alles unterschreibe ich. Aber die Gedanken zur Würde in unterschiedlichen Situationen sind nachvollziehbar und machen den Ernst der Situation in Deutschland greifbar.