‚Wenn ein Arzt hoffnungslose Fälle behandelte, musste er daher stets damit rechnen, dass man nicht etwa seinen hilfreichen und barmherzigen Beistand am Sterbebett lobte, sondern vielmehr den tödlichen Ausgang seiner fehlerhaften, unwirksamen oder womöglich gar ihrerseits schädlichen Behandlung zuschrieb.‘ (Seite 58)
Michael Stolberg erzählt in seinem Buch die Geschichte der Palliativmedizin von 1500 bis heute.
Im ersten Kapitel befasst er sich dabei mit der frühen Neuzeit (1500 bis 1800), schreibt von Krebs, Schwind- und Wassersucht, von verschiedenen Möglichkeiten der Behandlung, von den Auswirkungen von sterbenden Patienten auf die Reputation des Arztes/Heilers, von aktiver versus indirekter versus passiver Sterbehilfe, vom Recht auf Wahrheit und Aufklärung sowie von Religiosität.
Im zweiten Kapitel geht Stolberg näher auf das Industriezeitalter (1800 bis 1945) ein, erzählt von demografischen und kulturellen Veränderungen, von Untersuchungen des Sterbeprozesses, von Opium, Suizid, Euthanasie im Dritten Reich und von Syphilis.
Im Abschnitt zur Zeit nach 1945 setzt sich Stolberg mit medizinischen Innovationen und Palliativstationen auseinander, bevor er mit den Themen Medikalisierung, Tabuisierung und Stigmatisierung endet.
Palliativmedizin ist ein Thema, mit dem ich mich beruflich und privat (gezwungenermaßen) schon praktisch befasst habe, mit dem ich mich bislang aber noch nicht theoretisch beschäftigt hatte. Ich empfand Stolbergs Ausführungen als sehr fundiert und sehr detailliert, wobei sich das Buch durchweg flüssig und spannend liest.
Dem Autor ist gut gelungen, das komplexe Thema auf verständliche und lebendige, aber dennoch wissenschaftliche Weise abzuhandeln und zusammenzufassen, wobei er dem oft befremdlichen Thema der Palliativmedizin etwas den Schrecken nimmt und sehr viel Wissen über das Thema und seinen Wandel über die Zeit hinweg vermittelt.
‚Gehen Sie an die Betten der Sterbenden [...]. Es ist eine traurige aber doch schöne Pflicht. [...] Lernen Sie dort Menschlichkeit!‘ (Seite 125)
Michael Stolberg
Alle Bücher von Michael Stolberg
Die Harnschau: Eine Kultur- und Alltagsgeschichte
Körper-Bilder in der Frühen Neuzeit
Die Geschichte der Palliativmedizin
Neue Rezensionen zu Michael Stolberg
Das Buch ist eine der wenigen aktuellen Publikationen - umfassend - zum Thema Medizin und Frühe Neuzeit. Michael Stolberg berichtet von Ärzten, Patienten und deren Krankheitsformen sowie Behandlungsmethoden, die in der Frühen Neuzeit gebräuchlich waren. Quellen seiner Forschung waren sog. Patientenbriefe, die sich in einer Reihe sehr umfangreicher Sammlungen erhalten haben. Die Briefe geben Auskunft über - mitunter auf bis zu 30 Seiten - die vorhandene medizinische Symptomatik, das Befinden der Person und deren Lebensumstände. Die Antworten der Ärzte skizzieren gebräuchliche Behandlungsmethoden, Medikamente und natürlich das fachlich-medizinische Wissen der Zeit. So werden Krankheiten bekannt, die auch heute noch existieren, oder Lebenswirklichkeiten greifbar, die mit unserer heutigen Medizin kein Problem mehr darstellen. Das Buch richtet sich an das wissenschaftliche Fachpublikum und sollte in diesem Kontext auch gelesen und verstanden werden.
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