Rezension zu "Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland" von Michael Stolleis
Wichtiger Teilband des Gesamtwerkes
In diesem, was das Gesamtwerk zum Thema durch Stolleis angeht, dritten Band der Darstellung, wendet sich der Autor umfassend und detailliert einer der wichtigsten Phasen der öffentlichen Rechtsgeschichte (samt späteren massiven „Beugungen des Rechts“ im dritten Reich) außerordentlich fundiert und übersichtlich zu.
Die heimlichen und offenen Vorbehalte der Eliten des Kaiserreiches gegen Parteien und Parlamente, die mühsame Konstitution eines Parlamentes vor 1914, das teils „wilde“ Ringen zur Zeit der Weimarer Republik, die Lähmung der parlamentarischen Demokratie, die letztlich den Weg zur Aufhebung der Grundrechte mit bedingte und die dann parlamentarische Farce im dritten Reich bieten eine Fülle an Stoff, Interpretationsmöglichkeiten, tiefen Einschnitte und starken Veränderungen, denen Stolleis durchaus in seiner Darstellung gerecht zu werden versteht.
Wobei Stolleis keinen Hehl daraus macht, dass seine Sympathien bei den „Vernunftrepublikanern“ der Weimarer Zeit, den „Verlierern der Geschichte“ liegen.
In einer überwiegend chronologischen Ordnung, die zudem aber auch von Stolleis thematisch zugeordnet wird.
Vom „langen Abschied“ von der festgefügten Ordnung des 19. Jahrhunderts über die „Staatsrechtslehre“ im ersten Weltkrieg und die Zäsur für das öffentliche Recht desselben führt der Weg zum ersten, wichtigen Schwerpunkt der Darstellung, der Reichsverfassung über Versailles und Weimar mit ihrer „neuen“ Staatsrechtlehre und Verfassung.
Im fast Wirrwarr zu nennender Entfaltung in Landesverfassung und Wahlrecht, in ausuferndem Methodenstreit und (nicht nur einer) drohenden Staatskrise folgt Stolleis minutiös dem „Versuch einer Republik“ und zeigt auf rechtlichem Gebiet die Haltungen, Gegensätze (Positivsten und Antipositivisten u.a.) und Versjuche der Lösungen auf (wie u.a. die Vereinigung der deutschen Staatsrechtlehrer 1922-23).
Überaus informativ und spannend zu lesen ist dabei der ausführliche Blick, den Stolleis auf die „Zerstörung und Selbstzerstörung eines Faches legt“. Impulse, die auch für spätere Zeiten bis zur Gegenwart hin den ein- oder anderen Gradmesser für die „Gesundheit eines Staatsrechts“ bilden können.
Wie dann „die Verwaltung“ im Rahmen der Gleichschaltung im dritten Reich mehr und mehr die Vorherrschaft übernommen hat (unter „Erledigung der Verfassungsfrage“) unter anderem mit der „justizfreien Hoheit der Polizei“, auch das zeigt minutiös den Weg der Degenration des öffentlichen Rechtes zu jener Zeit überzeugend auf.
Fragen und Erkenntnisse, die Stolleis im letzten Teil des Buches, „Das Ende“ bündelt und die „Mitwirkung“ der „Öffentlichkeitsrechtler“ ebenso benennt, wie er Maßstäbe für eine Bewertung differenziert anbietet.
Staatsrecht, Verwaltungsrecht, Verfassung, Sozialrecht, Völkerrecht bilden die Schwerpunkte der Darstellung, die Stolleis fundiert vorlegt und die, nicht zuletzt aufgrund des opulenten Literaturverzeichnisses, wichtige Grundlagen für die wissenschaftliche Diskussion und Weiterarbeit am Thema bietet. Das alles, nicht unwichtig, zu bemerken, in einem verständlichen und flüssigen Stil dargeboten, so dass nicht erst verschiedene Lexika zum Verständnis des Buches herangezogen werden müssen.