Ja, man könnte flapsig sich diesem Autor nähern. So, wie er selbst gern Banales, scheinbar Läppisches aus dem Alltag verwendete für Verse oder Prosa, um sie als aufregend, ungewöhnlich, interessant zu neu arrangieren und zu verwandeln in Gedichtgebinde, in uferlose Prosakaskaden, die, man muß es sagen, heute Teil der Literaturgeschichte der 60er und 70er Jahre sind, quasi schwergewichtig und teilweise auch heute noch schwer verdaulich sich in manche Köpfe frißt.
Früh gehaßt in seiner Heimat Vechta. Er war ein Fremdkörper, Stachel im Fleisch einer katholisch verseuchten Gegend, in der man stumm, aber empört war aufgrund seiner Frechheiten. Der Roman "Keiner weiß mehr" wurde sofort nach Erscheinen als Pornographie klassifiziert. Er war ja auch auf dem Index der Zeit. Man mußte sich verpflichten, als Erwachsener, ihn nicht Kindern und Jugendlichen zugänglich zu machen. Heute ist er der "Große Sohn der Stadt", wissenschaftlich von der Universität verwaltet und ausgestattet mit beachtlichen Geldbeträgen einer erst kürzlich entstandenen Stiftung.
Im Grunde wiederholt sich hier etwas, was man als Einschüchterung durch Klassizität bezeichnen könnte. Jetzt hatte man ihn; man mußte ihn nicht mehr lesen.
Nach seinem Tod 1975 (so etwas ist immer spektakulär, auch wenn dieser Tod banal war: überfahren in London; der Autofahrer beging Fahrerflucht), wurde die literarische Welt aufmerksamer. Aber erst mit dem Erscheinen vor allem des Tagebuchs "Rom, Blicke" 1979 "wurde" er inkommensurabel. Der Zornige, hieß es, der Krakeeler, der Streithammel, die Nervensäge. Der Stachel im Fleisch entzündete das Gewebe. Er wurde einsortiert. Lexikonartikel, Dissertationen, ein Reclam-Bändchen mit ausgewählten Texten, ohne die scharfen Stellen, versteht sich, weil: für Schüler. Seine Bücher war keine Bestseller, aber Dauerseller, fast alle Bücher seid lieferbar (Rowohlt Verlag). Eine Ausgabe seiner Briefe ist in Vorbereitung.
Was er zu sagen hatte, kann also jeder nachlesen. In der nun erschienenen Biographie erfolgte die Ausbreitung des Lebens auf der Basis seines Nachlasses, der von den Autoren genutzt wurde. Viele Anekdoten, Klarstellungen, bisher dunkle Stellen in seinem Leben wurden erhellt. Das ist wenig spektakulär, es gibt kaum wirkliche Überraschungen, es wird referiert und viel zitiert, auf Reflexion wird eher verzichtet. Der Stoff ist das Buch. Diese Biographie Rolf Dieter Brinkmanns ist immerhin ein Anfang.











