Ein Roadtrip der besonderen Art...
von parden
Kurzmeinung: Ein Roadtrip der besonderen Art - er konnte mich nur weniger berühren als ich vorher erwartet hatte...
Rezension
EIN ROADTRIP DER BESONDREN ART...
Ella macht sich nichts vor. Ihre eigenen Tage sind gezählt, und ihr Mann John ist zu senil, um gestern noch von heute und morgen zu unterscheiden. Ob es da eine gute Idee ist, sich mit über achtzig einfach in ein Wohnmobil zu setzen und über die Route 66 nach Disneyland zu türmen? Natürlich nicht. Doch Ella ist die Hüterin der Straßenkarten und die Wächterin der Käse- und Tablettenrationen. Und sie wird sich dieser Reise stellen - auch wenn sie fürchtet, dass auch Liebe sich vergessen lässt.
Ella hat Krebs im Endstadium, ihr Mann John leidet seit Jahren an einer zunehmenden Demenz. Keine rosigen Aussichten also, doch Ella beschließt, dass sie eine Pause brauchen von den ewigen medizinischen Behandlungen und der schleichenden Hoffnungslosigkeit. Gegen den Rat der Ärzte und den Widerstand ihrer Kinder bereitet Ella alles vor und macht sich mit John auf den Weg.
"Wir beide zusammen, wie wir das immer waren, ohne zu sprechen, ohne etwas Besonderes zu tun, einfach nur auf Urlaub. Mir ist klar, dass nichts von Dauer ist, aber selbst wenn man weiß, dass es bald vorbei sein wird, kannst du doch manchmal zurücklaufen und dir noch einen kleinen Nachschlag nehmen, ohne dass es jemand bemerkt." (S. 56)
Im Grunde tropft hier aus jeder Zeile der Abschied. Ella mit ihrer Krebserkrankung, John mit seinem immer weiter schwindenden Erinnerungsvermögen, beide schon über 80 Jahre alt. Das Wohnmobil, das ihnen seit zig Jahren treue Dienste leistet, wird hier wohl auch seine letzte Fahrt unternehmen. Dazu die legendäre Route 66, die nur noch in Bruchstücken existiert und aufgrund einer parallelen Autobahn teilweise nur noch durch Geisterstädte oder ins Nichts führt - das Ende einer Ära und bald nur noch in den Köpfen verklärter Romantiker existent. Und mit den allabendlichen Diashows - Ella hat einen Projektor und zahllose Bilder mit auf die Reise genommen - ruft das alte Ehepaar sich noch ein letztes Mal besondere Lebensmomente in Erinnerung: das Aufwachsen der Kinder, gemeinsame Urlaube, Festivitäten, Familienfeiern...
Doch was hier so deprimierend klingt, wird im Grunde meist lakonisch erzählt, in einer 'so ist es eben' Haltung, zeitweise mit melancholischem Unterton, oftmals aber auch mit einem Anflug von schwarzem Humor. Erzählt wird aus der Ich-Perspektive Ellas, wodurch der Leser rasch im Bilde ist über ihre zunehmenden Schmerzen und ihre abnehmenden Kräfte, die sie mit einem ganzen Arsenal an Medikamenten zu kompensieren versucht.
Einfach ist die Reise nicht. Ella fungiert als Kartenleserin und dirigiert ihren Mann auf den Spuren der Route 66 quer durch die USA. Dabei muss sie nicht nur mit ihren eigenen Dämonen kämpfen, sondern auch mit den wechselhaften Zuständen Johns. Gelegentlich ist er klar bei Verstand, dann wieder recht orientierungslos und eigenwillig bis aggressiv, und Ellas Umgang mit den Problemen ihres Mannes schwankt zwischen pragmatisch, verständnisvoll, resigniert und genervt.
Von Bundesland zu Bundesland fahren sie in gemächlichem Tempo, entscheiden spontan, wo sie essen, wo sie anhalten, wo sie übernachten wollen und praktizieren so das Motto: der Weg ist das Ziel. Am Schluss der Reise wollen sie in Los Angeles am Ende der Route 66 stehen und auf den Pazifik schauen, aber bis dahin wollen viele Meilen überwunden werden.
Auf der Reise lernt der Leser Ella und John zunehmend besser kennen. In die aktuellen Ereignisse auf der Reise werden immer wieder auch Rückblenden in die Verangenheit des Paares eingeflochten. Ella und John sind bodenständige Menschen und seit über 60 Jahren miteinander verheiratet. Trotz ihrer Erkrankungen wird deutlich, dass es zwischen den beiden nach wie vor Zuneigung gibt, was vor allem in den klareren Momenten Johns deutlich wird.
Einerseits habe ich es begrüßt, dass der Roman trotz der ernsten Themen nicht auf die Tränendrüse drückt, andererseits blieb mir die Erzählung insgeamt dann aber doch zu oberflächlich und distanziert. Mir gefiel die Selbstbestimmtheit Ellas, die sich auch am Ende ihres Lebens nicht vorschreiben lassen will, was sie zu tun und zu lassen hat. Was mir weniger gefiel, war das szeneartige Aneinanderreihen der Reiseabschnitte, was teilweise etwas hatte von einem romanartigen Reiseführer. Und die Schwäche der Übersetzung - mal Wohnmobil, mal Wohnwagen - empfand ich auch als störend. Tatsächlich reist das Paar in einem alten Wohnmobil...
Ich habe den Roman nicht ungern gelesen, aber er hat mich auch kaum berühren können. Das Ende war überraschend aber absolut stimmig - und bringt einen zum Nachdenken darüber, was man selbst anstelle von Ella tun würde. Das Ziel 'Disneyland' habe ich nicht wirklich verstanden, aber das ist wohl Ellas Sache...
Ein Roadtrip der besonderen Art, der mir leider zu sehr an der Oberfläche blieb, aber für angenehme Lesetunden sorgte. Ob ich mir die Verfilmung anschaue, sei einmal dahingestellt, meist bin ich von Romanverfilmungen eher enttäuscht...
© Parden