„Andersträumer“ von Michaela Göhr (Rezensionsexemplar LovelyBooks)
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Grundidee & Setting:
Anfangs geht es nur um ein Schlafexperiment, an dem die junge Studentin Lynn teilnimmt, um mehr über das luzide (Klar-) Träumen zu erfahren. Sie selbst nimmt als Probandin teil und kann mithilfe der wissenschaftlichen Leiter des Experiments tatsächlich klarträumen. Nur fühlt sich das Träumen zu real an und als sie ihm vermeintlichen Traum einen Mann sieht, von dem sie sich wie durch eine unsichtbare Kraft angezogen fühlt und ihn berührt, gerät alles aus den Fugen.
Denn es stellt sich heraus, dass sie keineswegs träumt, sondern im „schlafenden“ Zustand als eine Art Geist ihren Körper verlässt und Einfluss auf die reale Welt nehmen kann. Zu spät merken die Wissenschaftler, was sie mit Lynns „Erweckung“ als sogenannter Dreamer und der von ihrem Pendant Mathis ausgelöst haben und welche Geschehnisse dadurch in Gang gesetzt werden.
Die Idee von existierenden Parallelwelten ist sicher nichts neues, wird hier aber erfrischend neu umgesetzt. Lynn und Mathis besitzen als Dreamer zwar besondere Fähigkeiten, diese sind aber keineswegs grenzenlos und haben ebenso Konsequenzen. Genauso können sie nur schlafend in diesen Zustand finden und sich nur in einer Welt gleichzeitig bewegen.
Erzählstil/Erzählweise:
Die Autorin hat einen nicht zu detaillierten, aber passenden Erzählstil, der den Leser vor allem durch die Dialoge und Erlebnisse der Protagonisten die Geschichte erleben lässt. So tappt man anfangs genauso im Dunkeln wie die Protagonisten.
Besonders die Einblicke in die Gefühle und Gedanken der Charaktere haben mir gefallen. Man merkt, welche Schwierigkeiten sie mit den Ereignissen haben oder auch wie sie sich innerlich „zerrissen“ fühlen und das selbst der Antagonist nicht so einfach zwischen Schwarz und Weiß einzuordnen ist.
Aufgrund der Parallelwelten gibt es verschiedene Handlungsorte und damit Ortswechsel, jedoch steht über jedem Absatz der aktuelle Ort. Allerdings musste zumindest ich nicht mehr auf diese Angaben achten, nachdem ich richtig in der Geschichte „drin“ war, denn dann wusste man durch das vorherige Kapitel/den vorherigen Absatz, wo man gerade war. Wenn man allerdings noch längere Pausen beim Lesen macht, könnte das das Lesen erschweren sein.
Handlungsaufbau:
Anfangs kommt langsam Spannung auf, auch wenn es schon die ersten ausschlaggebenden Ereignisse gibt. Aber zu diesem Zeitpunkt kann man noch schwer durchschauen, wie sich die Geschichte entwickelt. Zur Seite legen sollte man das Buch aber auf keinen Fall, denn weitere Personen mischen sich ins Geschehen ein, teils mit schwerwiegenden Folgen und mit jeder Seite zeigen sich mehr die gefährlichen (ja sogar tödlichen) Konsequenzen, die die Existenz der Dreamer hat. Insgesamt entwickelt sich die Handlung in angemessenem Tempo mit einem Finale, dass für mich atemraubend war. Der letzte Teil ließ einen nicht mehr zur Ruhe kommen, eine dramatische Wendung folgte auf die nächste und ich wollte das Buch gar nicht mehr zur Seite legen.
Charaktere:
Lynn und Mathis sind als Charaktere unglaublich authentisch. Sie sind wie aus dem Leben gegriffen, zwei Personen, die man so auch an der nächsten Straßenecke treffen könnte. Dementsprechend gut konnte ich verstehen, wie sehr sie mit ihrer Erweckung als „Dreamer“ zu kämpfen haben, die ihr gesamtes bisheriges Leben verändert und auch ihre Liebsten bedroht. Im Verlauf entwickeln die beiden nach der anfänglichen Weigerung erst Akzeptanz für die Veränderung, die sie durchlaufen, später riskieren sie sogar ihr eigenes Leben, um alle anderen zu retten und die Welt wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
Beide sind Helden und dann doch nicht, weil sie ihre Herausforderungen nicht unbeschadet und unbesiegbar überstehen und sich nicht sofort in ihre Rolle einfügen wollen.
Auch Marlene Kesper hat mir im Verlauf der Handlung immer besser gefallen. Anfangs wirkt sie noch teilnahmslos, entwickelt sich aber und bringt sich immer mehr ins Geschehen ein, wodurch auch sie eine essenzielle Veränderung durchlebt.
Marco als vermeintlicher Antagonist ist wunderbar vielschichtig und nicht einfach nur „böse“. Er hat Beweggründe, innere Zweifel und versucht tatsächlich, Gutes mit schlechten Taten zu bewirken. Das hat ihn nur umso interessanter gemacht.
Daneben gibt es noch weitere Parteien, die mitmischen. Einige von ihnen wollen Gutes tun, auch wenn ihre Methoden zweifelhaft sind, anderen geht es zunächst um bloßen Wissendurst und wissenschaftliche Erkenntnisse auf Kosten der Dreamer.
Fazit:
„Andersträumer“ greift das Thema Träumen völlig anders auf, als ich bisher davon gelesen habe. Das Klarträumen in Verbindung mit den Dreamern, ihren Fähigkeiten, aber auch die beiden Parallelwelten und wie sich alles gegenseitig beeinflusst, haben mich fasziniert.
Wer Spannung und Action ab der ersten Seit sucht, wird hier vielleicht enttäuscht, aber es lohnt sich, die Entwicklung der Geschichte bis zum Ende zu verfolgen. Ebenso können die Charaktere überzeugen, die immer authentisch bleiben und mit denen ich bis zum Ende mitgefiebert habe.
Ingesamt konnte mich Andersträumer trotz anfänglicher Zweifel mehr als begeistern und überraschen. Daher vergebe ich 4 Sterne für dieses Buch.