Rezension zu "Heute gehe ich nicht nach Hause" von Antonella Sbuelz
"Heute gehe ich nicht nach Hause" von Antonella Sbuelz ist ein unglaublich schön und poetisch geschriebenes Jugendbuch, das sich mit viel Fingerspitzengefühl den Themen Flucht und Hoffnung widmet und aufzeigt, welche Bedeutung ein zu Hause hat.
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Dabei begleiten wir zwei Jugendliche - Aziz und Mattia - eine Weile in ihrem Leben. Aziz musste die eigene Heimat in Afghanistan verlassen, um in Sicherheit zu sein und hat noch immer einen langen und gefährlichen Weg vor sich, wohingegen Mattia sich in Oberitalien mit den uns eher bekannten und für uns alltäglicheren Sorgen herumschlägt, die einen 15-Jährigen eben so umtreiben. Schule und das erste Mal verknallt sein, bis etwas auch Mattias bis dahin heile Welt auf den Kopf stellt ...
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Die Geschichte lebt von den zwei scheinbar grundverschiedenen Perspektiven, die jedoch schriftstellerisch sehr gekonnt ineinander greifen, und ermöglicht es, den Lesenden viel über das, was den beiden widerfährt und was sie gerade umtreibt, nachzudenken und somit auch das eigene Leben sowie die eigenen Vorurteile zu reflektieren.
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Beide Charaktere sind mit viel Liebe zum Detail und authentisch gezeichnet und gerade die Perspektive von Aziz ist oftmals sehr bewegend, aber dabei nie auf Drama ausgelegt. Das fand ich wirklich gut gemacht. Auch fällt im Laufe des Buches immer mehr auf, dass wir uns doch alle gar nicht so unähnlich sind, egal, woher wir kommen ... "Heute gehe ich nicht nach Hause" enthält viele große und kleine Botschaften, die wirklich wertvoll sind.
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Mattias Sicht erschien mir durchgehend ebenso realistisch wie die von Aziz, allerdings fand ich es dort teilweise etwas schade, dass insgesamt doch wenig Charakterentwicklung stattfindet und die, die es dann gibt, wirkte auf mich eher erzwungen und etwas oberflächlich. Hier wurden einige andere sensible Themen meiner Meinung nach auch nicht gut aufgearbeitet, sondern eher weiter stigmatisiert (z.B. das Thema selbstverletztendes Verhalten).
Vieles davon ist unter Jugendlichen durchaus so, aber ich finde, in einem Buch für eben diese Zielgruppe sollte dann doch eine gewisse Einordnung stattfinden.
Abgesehen davon kann ich "Heute gehe ich nicht nach Hause" jedoch definitiv empfehlen, wenn ihr ein gutes Jugendbuch zum Thema Flucht sucht und euch in einem solchen Kontext damit befassen möchtet. "Heute gehe ich nicht nach Hause" ist ein emotionales Buch, ein wichtiges Buch, das dazu auch noch wirklich toll geschrieben ist.