Houellebecq schreibt äußerst derbe, teils kaum erträglich über Frauen und Sexualtität. Aber letztendlich geht es dabei keineswegs um die Frauen, sondern charakterisieren diese Sprache und dieses Denken seinen misogynen Helden, der im Leben und in der Liebe gescheitert ist. Unwillkürlich fragte ich mich beim Lesen immer wieder, wie sehr dieses Scheitern individuell und zu welchen Teilen gesellschaftlich verursacht ist. Und genau hierin, zu dieser Frage auf unbequeme Weise anzuregen liegt für mich die Qualität des Romans. Danke.
Michel Houellebecq
Lebenslauf
Satire, Skandale und große Literatur: Michel Houellebecq wurde am 26. Februar 1956 oder 1958 auf Réunion, Frankreich geboren. In den 1980er Jahren begann er mit Gedichten, die 1991 und 1992 gesammelt in zwei Bänden veröffentlicht wurden. Mit den 1994 und 1998 veröffentlichten Romanen »Ausweitung der Kampfzone« und »Elementarteilchen«, die beide verfilmt wurden, gelang ihm der nationale und auch internationale Durchbruch. Er wurde unter anderem mit den Literaturpreisen »Prix Novembre« sowie »Prix interallié« ausgezeichnet. Heute lebt Houellebecq auf Lanzarote oder in Irland. 2018 heiratete er seine dritte Ehefrau Lysis.
Alle Bücher von Michel Houellebecq
Elementarteilchen
Unterwerfung
Ausweitung der Kampfzone
Plattform
Karte und Gebiet
Die Möglichkeit einer Insel
Serotonin
Gegen die Welt, gegen das Leben.
Videos zum Autor
Neue Rezensionen zu Michel Houellebecq
Rezension zu "Karte und Gebiet" von Michel Houellebecq
Der kapitalistische Kunstbetrieb, in dem Stars gemacht werden, in diesem Fall ein zurückgezogen lebender Absolvent der École des Beaux-Arts namens Jed Martin, dessen Fotos von Michelin-Regionalkarten einen PR-gesteuerten Hype auslösen. Der richtige Augenblick, um eine Geliebte zu halten, der, wenn einmal versäumt, nicht mehr nachgeholt werden kann. Die Distanz zwischen Sohn (Jed) und Vater, die zu Weihnachten nur mit Mühe ein Gespräch führen können. Die Zumutungen des Alterns, die sowohl Jeds Vater (er wird gegen Ende des Romans in Zürich assistiert Selbstmord begehen) als auch Michel Houellebecq plagen, der im Roman als versoffen der Einsamkeit fröhnend dargestellt wird und den Jed aufsucht, damit er ein Vorwort für seine nächste große Ausstellung schreibt. Die Frage, was Kunst und Künstler sein (bei Houellebecq eindeutig männlich geprägt) eigentlich bedeuten.
All das und noch mehr ist in diesem Roman verpackt, liest sich amüsant, etwa die Porträts von Houellebecqs Kollegen wie Frédéric Beigbeder oder von Möchtegernberühmtheiten und Adabeis der Pariser Szene, nur stellenweise etwas langatmig (etwa wenn Houellebecq zu viel aus Wikipedia und anderen Schriften zitiert) und hält für ausgesprochene Houellebecq-Hasser:innen auch noch die Befriedigung bereit, dass der Autor ermordet und zerstückelt in seinem Landhaus aufgefunden wird. Was will frau mehr!
Rezension zu "Unterwerfung" von Michel Houellebecq
Viele der schlechten Bewertungen stammen von Rezensierenden, die den Hauptcharakter unsympathisch finden. Wenn man danach ginge, könnte man die Hälfte der Weltliteratur in den Ausguss kippen.
Ich fand das Buch gerade wegen der Mentalität des Protagonisten so interessant. Er steht stellvertretend für Tausende und Abertausende Männer, die (offensichtlich oder tief im Innern) sexistische Klischees hegen, für Tausende und Abertausende Menschen, die sich mit jeglichem Regime arrangieren würden, solange etwas für sie dabei herausspringt. In diesem Fall ist dieses „Etwas“ z.B. die Unterwerfung gefügiger Ehefrauen. Dass Menschen oft Sklaven ihrer niederen Instinkte sind, ist keinesfalls abwegig, und die daraus resultierende systematische Unterdrückung ist Praxis in vielen Ländern dieser Welt. Das lässt sich nicht wegdiskutieren, auch wenn der Gedanke unerfreulich ist. Gerade Deutsche wissen doch, wie leicht es ist, Menschen zu manipulieren und zu Gräueltaten zu bewegen, solange Politik es legitimiert und sagt „Du darfst das“. Darum geht es in dem Roman: Um den schleichenden Verlust der Menschlichkeit. Das fand ich faszinierend, gerade wenn das so klug beschrieben wird, wie Michel Houellebecq es tut.
Nun muss man natürlich darüber sprechen, wie wahrscheinlich es ist, dass die im Roman beschriebene politische Umwälzung in unseren Gefilden so stattfinden würde. Natürlich ist die Wahrscheinlichkeit gering. Und jedem ist bewusst, dass das Thema des Islams in Europa seit Jahrzehnten (Jahrhunderten!) kontrovers diskutiert wird. Aber mit Verlaub: Als erwachsener Mensch bin ich zu vernünftig, um nach der Lektüre eines Romans islamophob zu werden - und die meisten anderen LeserInnen auch.
À propos und nicht, dass es eine Rolle spielt - denn Literatur darf (fast) alles - aber ich sag es trotzdem: Das Buch beantwortet übrigens ganz klar, wer der Bösewicht ist. Es ist nicht der muslimische Politiker mit seinen Moralvorstellungen, sondern der opportunistische weiße Franzose, dem alles egal ist, solange er einen vollen Magen hat und eine Zwanzigjährige fürs Bett zugewiesen bekommt.
Leichte Kost wird niemand erwarten, der zu diesem Buch greift, aber ich erwähne trotzdem ausdrücklich, dass das Buch an die Substanz geht. Der gute Schreibstil ließ mich kaum von „Unterwerfung“ ablassen, aber spätestens gegen Ende des Buches wurde mir der Sexismus zweier Figuren zu viel. Ich bereue es im Nachhinein nicht, aber ich musste mich dazu zwingen, mir die letzten 90 min. anzuhören.
Fazit: Ein brillantes, fesselndes, schockierendes Buch. Ich bin froh, es gelesen zu haben. Wird nicht mein letzter Houellebecq gewesen sein.
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Zusätzliche Informationen
Michel Houellebecq wurde am 26. Februar 1956 in Réunion (Frankreich) geboren.
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