Michel Jean

 4,8 Sterne bei 19 Bewertungen
Autor*in von Kukum, Tiohtiá:ke und weiteren Büchern.

Lebenslauf

Michel Jean, geboren 1960, ist Innu aus der Gemeinde Mashteuiatsh am Lac Saint-Jean (Québec). Er ist einer der wichtigsten indigenen Autoren Québecs. Nach einem Studium der Geschichte und Soziologie arbeitet er seit 1988 als Journalist und Moderator für die französisch-kanadischen Fernsehsender Radio Canada Info und, seit 2005, TVA Nouvelles. Er ist zudem als Herausgeber von Anthologien indigener Autorinnen und Autoren aus Québec tätig.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Michel Jean

Cover des Buches Kukum (ISBN: 9783990294703)

Kukum

(4)
Erschienen am 14.10.2021
Cover des Buches Maikan (ISBN: 9783990295397)

Maikan

(3)
Erschienen am 01.09.2022
Cover des Buches Atuk (ISBN: 9783990471203)

Atuk

(3)
Erschienen am 14.06.2023
Cover des Buches Tiohtiá:ke (ISBN: 9783990295830)

Tiohtiá:ke

(3)
Erschienen am 01.10.2023
Cover des Buches Kukum (ISBN: 9783293209428)

Kukum

(2)
Erschienen am 11.07.2022
Cover des Buches Qimmik (ISBN: 9783990296523)

Qimmik

(2)
Erschienen am 01.07.2024
Cover des Buches Wapke (ISBN: 9783990295632)

Wapke

(2)
Erschienen am 31.03.2023
Cover des Buches Amun (ISBN: 9783990293867)

Amun

(0)
Erschienen am 14.03.2020

Neue Rezensionen zu Michel Jean

Cover des Buches Qimmik (ISBN: 9783990296523)
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Rezension zu "Qimmik" von Michel Jean

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Hundemord als Machtspiel

Mit dem Wort Genozid sollte man sehr bedächtig umgehen. Die Vorstellung darüber reicht weit über den brachialen Schuss hinaus. Einen Menschen zu brechen, ist ein Einfaches im Vergleich zu dem, was man einem Volk, einer Volksgruppe antun kann, um sie ihrer Identität zu berauben. Davon berichtet Michel Jean in „Qimmik“.

Kanada in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Also vor gerade mal einem reichlichen halben Jahrhundert. Der Weltkrieg ist lange vorbei. Die Welt taumelt immer noch. Ulaajuk ist Jäger und versucht nun seine Felle zu verkaufen. Kuujjuaraapik, wo Tundra und Taiga sanft ineinander übergehen, scheint für in der ideale Ort zu sein. Saullu, wie Ulaajuk Inuk (bei uns besser bekannt als Inuit, Einwohner der arktischen, subarktischen Gebiete auch in Kanada), verliebt sich in den geschickten Jäger. Er und Sie – das ideale Paar. Schnell ist beschlossen gemeinsam die Jagdgebiete nach Karibu, Robben und Beluga zu durchforsten. Ihre Zeit ist von Entbehrungen geprägt, es ist aber auch die Zeit der Liebe. Leider verliert Saullu ihr Kind. Nach Jahren kehren sie zurück an den Ort, der der Grundstein ihrer Liebe ist: Kuujjuaraapik.

Der Ort hat sich verändert. Straßen und Häuser sind hinzugekommen. Der beschauliche Ort hat sich in einen geschäftigen Platz verwandelt. Ulaajuk fällt sofort auf, dass hier eine trübsinnige Stimmung herrscht. Es fehlt das Gebell der Hunde. Auf ihrer Jagd hatten er und Saullu zwei Gespanne mit je zehn Hunden immer bei sich. Tag und Nacht waren die treuen Gefährten um sie herum. Sie brachten sie von Ort zu Ort, waren unerlässliche Helfer. So wie schon ihre Väter, ihre Großväter und Urahnen gehörten Mensch und Tier zusammen, wie die Nacht, die auf den Tag folgt.

Hoffnung bietet den beiden die Tatsache, dass Saullu erneut schwanger ist. Das Schicksal meint es dieses Mal gut mit ihnen. Saullu und Ulaajuk sind nun Eltern. Einen Tag später stirbt Saullus Vater. Ein Schicksalstag. Der noch nicht zu Ende ist. Denn genau in dem Moment, in dem ihr Vater zu Grabe getragen wird, erscheint einmal mehr die Sécurité du Québec. Sie waren schon einmal hier, als Saullu und Ulaajuk auf der Jagd waren. Damals erschossen die Beamten alle Hunde der Inuk. Das allein ist schon verächtlich genug. Aber einem Volk einen Grundbestandteil seiner Kultur derart brutal und unnachgiebig zu entreißen, ist zumindest moralisch verwerflich, bislang noch nicht justiziabel und deswegen ein Akt der Unmenschlichkeit. Ganz zu schweigen vom Leid der Tiere. Dieses Mal haben die Beamten die Hunde von Ulaajuk im Visier…

Es ist erstaunlich wie viel Geschichte, wie viele Geschichten Michel Jean auf zweihundert Seiten unterbringen kann. Ein rasanter Horrortrip durch ein historisch verbürgtes Kapitel kanadischer Geschichte, das hierzulande kaum bekannt sein dürfte. Bis jetzt. Michel Jean ist der Geschichtsvermittler Kanadas, leider auch der bitteren Kapitel.

Cover des Buches Tiohtiá:ke (ISBN: 9783990295830)
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Rezension zu "Tiohtiá:ke" von Michel Jean

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Gefühlvoller Mutmacher

Da ist sie wieder: Audrey Duval. Anwältin für die Rechte der autochthonen Bevölkerung Kanadas und Splitter im Fleisch derer, die die Vergangenheit ruhen lassen wollen. Auch dieses Mal sorgt sie wieder für einen entscheidenden Wendepunkt im Leben eines ihrer Mandanten.

Montreals Obdachlose – in der Sprache der Mohawk heißt Montreal Tiohtiá:ke – bekommen Zuwachs durch Élie Mestenapeo. Aus Nutashkuan, woher er stammt hat man ihn verwiesen. Weil er seinen Vater getötet haben soll, wofür er auch im Gefängnis saß. Zehn qualvolle Jahre lang. Die nichts für ihn getan haben außer der Resignation Futter zu geben. Sollte er es wirklich gewesen sein, hatte er unzählige Gründe dies zu tun. Gewalt und Alkoholismus kennt er aus eigener Erfahrung.

Hier in lernt er Tiohtiá:ke die Kehrseiten der Gesellschaft kennen – als ob das Gefängnis nicht genug Schule des Unlebens wären … Aber auch Freunde: Musiker, Foodtruckbesitzer, von den Eltern Verlassene. Sie geben ihm den Mut an die Zukunft zurück. Die Eiseskälte der Stadt kann ihn nicht brechen. Er hat Freunde, die ihn bestärken, ja fast drängen, noch einmal Anlauf zu nehmen. Anlauf und zum Absprung in ein neues Leben zu wagen. Etwas wozu ihnen oft der Mut fehlt. Er will wieder zur Schule gehen. Um dann schlussendlich Jura studieren zu können. Da kommt ihm Audrey Duval gerade recht…

Noch eine Wendung in seinem an Wendungen reichen Leben.

Michel Jean brilliert einmal mehr in der Rolle des leidenschaftlichen Erzählers über das Leben der alteingesessenen Völker Kanadas. Er braucht nur wenige Zeilen, um den Leser in Gefolgschaft zu nehmen und ihn in eine Welt zu führen, die man meist nur aus dem Augenwinkel wahrnehmen möchte. So viel Leid, so viel Hoffnung. Verzweiflung und Agonie im ständigen Widerstreit mit Licht und Zuversicht. Allein die Dauer der Zustände bestimmen über das Schicksal des Einzelnen.

Spannend wir ein Thriller und einfühlsam wie eine mütterlicher Roman wird „Tiohtiá:ke“ zu einem Buch, das man nicht mehr zur Seite legen möchte. Wie schon in „Maikan“ wird Anwältin Audrey Duval zum strahlenden Licht einer Gruppe von Menschen, die im Dunkeln sich wohler fühlt.

Cover des Buches Maikan (ISBN: 9783990295397)
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Rezension zu "Maikan" von Michel Jean

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Schonungslose Aufarbeitung

Einskommaneunmilliarden. So in einem Wort geschrieben ist es schon beeindruckend. 1 900 000 000 Kanadische Doller. So viel hat die Regierung des zweitgrößten Landes Autochthonen zugesprochen, die in der Vergangenheit in Internaten untergebracht wurden, wo ihnen ihr indigener Lebensstil vor allem wortwörtlich aus dem Leib geprügelt wurde. Völkermord nennt man das klangvoll und markant. Eine Entschuldigung (zusammen mit der Zusage auf Entschädigung) gab es erst vor ein paar Jahrzehnten. So weit so gut. Doch wie kommen die Berechtigten an ihr – nein, nicht an Gerechtigkeit! – zustehendes Recht? Oft sind ihre Namen aus den Archiven getilgt. Sie wissen nichts von Entschädigung, leben am Ende der Gesellschaft.

Die Anwältin Audrey Duval versucht die Maikan, die Wölfe, wie sie diskreditierend von Nonnen und Mönchen, die den Internaten vorstanden und ihrer Willkür freien Lauf ließen, genannt wurden, aufzuspüren.

Sie findet unter anderem Marie. Sie war eine von mehr als einhundertfünfzigtausend Kindern, die ihren Eltern, ihrer Heimat, ihrer Art zu leben entrissen wurden und in einem der weit über hundert Internate verschwanden. Ihre Sprachen duften sie nicht mehr sprechen. Bei Zuwiderhandlungen drohten Strafen, die nicht nur an Folter erinnern. Es war Folter! Marie ist Alkoholikerin. Das Leben hat sie ausgespuckt auf die Straßen der Provinz Quebec. Hier wird sie auch angespuckt. Der Teufel hat sich ihre Seele schon gesichert. Hoffnung fällt ihr nicht im Leben ein zu buchstabieren.

Michel Jeans Romane erzählen auf eindrucksvolle Art und Weise vom menschenverachtenden Umgang mit Autochtonen, von ihrer Kultur und ihrem harten Kampf ums Überleben. Wenn die Kultur verschwindet, verschwindet der Mensch. Wölfe können beißen. Doch die Maikans haben ihren Biss verloren. Alle Reißzähne wurden ihnen herausgerissen. Nur Audrey Duval kann ihnen teilweise einen Teil ihrer Würde, zumindest aber einen gehörigen teil ihres ihnen zustehenden rechts zurückgeben.

Immer wieder liest und hört man von Völkermord. Ein Wort, das schon so oft verwendet wird, dass man es kaum noch wahrnimmt. Egal, ob in aktuellen Kriegen oder in Reportagen über die Geschichte Europas, Asiens, Afrikas und Amerikas. Dass auch Kanada zu den Übeltätern gehört ist weitgehend unbekannt. Michel Jean ist in seinem Land ein Star. Auch und gerade wegen der Themen, die er in seinen Romanen anspricht. „Maikan“ gehört zu den wichtigsten Büchern, die man lesen muss, um menschliche Abgründe zu erkennen.

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