Rezension zu "Real Tigers" von Mick Herron
„Real Tigers“ ist der dritte Band der Geschichten um Slough House, jene Außenstelle des britischen Inlandsgeheimdienstes MI5, in dem diejenigen als ‚Slow Horses’ strafversetzt und abgeschoben werden, die es so richtig verbockt haben, die man aber nicht einfach in die Wüste schicken kann oder will.
Catherine Standish, die Assistentin des Chefs von Slough House, wird gekidnappt, und die Entführer verlangen im Gegenzug für ihre Freilassung Zugang zur MI5-Geheimakte des Premierministers. Jackson Lamb und seine Leute stehen vor der Frage, wem sie Loyalität schulden, zumal sich herausstellen wird, dass nichts so ist, wie es aussieht, und es innerhalb des MI5 (und darüber hinaus) einen subtil inszenierten Krieg der Mächtigen zu geben scheint, der bis hinauf zu Peter Judd, dem ebenso ehrgeizigen wie skrupellosen Innenminister (bis zum verwuschelten Haar ein hochamüsantes, weil bis zur Kenntlichkeit verzerrtes Abbild des unsäglichen Boris Johnson) reicht.
Der Showdown ist für meine Begriffe zu lang und zu blutig geraten, davor aber geht es diesmal nicht um den James-Bond-mäßigen Riesenknall, sondern eher um ein Belauern und Intrigieren, ein raffiniertes Schachspiel, in dem am Ende die Bauern (nämlich die Underdogs von Slough House) siegen. Die Geschichte hat etwas Eigenes, die Erzählweise hat sich freigeschwommen von den übergroßen Vorbildern Tom Clancy und John le Carré, sie hat ihren eigenen Ton und Charme gefunden, die Charaktere gewinnen an Tiefe, man kennt sie inzwischen, und Mick Herron erliegt diesmal auch nicht der Versuchung, ihre Hintergründe noch mal breit aufzurollen und darzulegen, und das tut der Geschichte gut. Auch die ewig schlagfertigen Dialog-Repliken sind nicht mehr ganz so penetrant wie in den ersten beiden Episoden (oder ich bin abgestumpft und hab mich dran gewöhnt).
Jedenfalls. Ein unterhaltsamer Spaß mit wenigen Einschränkungen. Ich würde allerdings dem neugierigen Publikum nicht raten, mit diesem Band in die Reihe einzusteigen.