Mika Neufeld

Dieses raffinierte Buch über die verworrenen Verhältnisse einer Familie, in der sämtliche Charaktere bei dem Versuch, durch ihre Generationsflüche zu navigieren, in ihre persönlichen Abgründe starren, hinterlässt definitiv einen bleibenden Eindruck.

In der magischen und doch so realen Welt dieser Geschichte werden wunderschöne und ebenso schmerzhafte Bilder erzeugt, die mich am Ende vieler Kapitel mit Gänsehaut zurückgelassen haben. Es ist beeindruckend, wie bekannte Reime, Sprichwörter und Literatur dabei mit geschickten Twists eingebaut und aus neuen Perspektiven betrachtet werden. 

Eine klare Empfehlung für jeden, der bereit ist, sich auf die Auseinandersetzung mit generationsübergreifenden Auswirkungen eigener Erfahrungen einzulassen.

Der Kurzroman besteht aus einer Reihe von Kurzgeschichten, die jedoch alle miteinander verbunden sind. Die Charaktere sind miteinander verknüpft und die Themen spiegeln sich gegenseitig wider. Das Hauptthema von Schmerz und der Suche nach Akzeptanz zieht sich wie ein roter Faden durch die Märchen. Die Autorin Mika hat das Talent, jeden Charakter so darzustellen, dass man sich mit ihnen identifizieren kann. Selbst bei denjenigen, bei denen man anfangs vielleicht Vorbehalte hat, kann man letztendlich Verständnis und Mitgefühl für sie aufbringen. Mika zeigt auf eindrucksvolle Weise, dass jeder Mensch seine eigenen Probleme hat und mit seinen eigenen inneren Dämonen kämpft. Sie visualisiert den Schmerz und das Trauma, die sich über Generationen hinwegziehen, und zeigt, wie komplex diese Themen sein können. Dadurch kann man auch diejenigen verstehen, die anderen Schmerz zufügen, weil sie selbst in ihrer eigenen Welt gefangen sind. Die Kurzgeschichte passt perfekt zur herbstlichen Stimmung, die auch auf dem Cover dargestellt wird. Mit einer leichten Gruseligkeit und unglaublicher Ehrlichkeit erreicht die Geschichte die Leser und zeigt das komplexe Netzwerk einer Familie und wie sie sich in unserer verwirrenden Welt zurechtfindet. Dieses Buch ist absolut empfehlenswert!

Dieses Buch zu lesen fühlt sich an, als würde man Mika Neufeld in der Dämmerung an einem  tiefen Wald treffen und von ihr eingeladen werden, sie auf einen Spaziergang zu begleiten. 

Sie führt uns mit einer Laterne in der Hand durch den Wald, in dem die dicht aneinander stehenden Bäume all die Leben sind, an denen sie uns in diesem Buch Teil haben lässt: die ihrer Eltern, deren Eltern, ihrer Geschwister, und ihr eigenes. Die hier erzählten Kurzgeschichten (die sich teilweise fast schon eher anfühlen wie Poesie als Prosa, dabei aber immer nahbar und beinahe gefährlich nachempfindbar bleiben) sind die Stellen des Waldes, auf die sie für einen kurzen Augenblick das Licht der Laterne richtet, uns eintauchen lässt, uns eine Geschichte, eine Szene, und manchmal in wenigen Worten fast ein ganzes Leben erzählt, und die dann wieder von der Dunkelheit verschluckt werden. 

Man merkt diesem Buch in jeder Zeile an, dass es von einem Menschen geschrieben wurde, der Bücher und Wörter liebt. Es ist geheimnisvoll, aber trotzdem ehrlich, düster, aber trotzdem hoffnungsvoll, und vor allem ist es unfassbar menschlich. 

Das perfekte Buch, um den beginnenden Herbst zu zelebrieren, sich mit einer Tasse Tee ans Fenster zu setzen und Mika Neufeld in den dunklen Wald zu folgen, und ihn mit ihr zusammen zwar aufgewühlt, aber auch mit dem Gefühl, etwas zu wissen, was man vorher noch nicht wusste, zu verlassen.