Miku Sophie Kühmel

Der Plot klingt zunächst spannend: Eine WG mit zwei schwulen Männern und einem, der bi ist. Dazu die Tochter des letzteren, die oft zu Besuch in dem wunderschönen Haus am See ist, von Kindesbeinen an. Die Umsetzung mutet zunächst auch spannend an: Kapitel 1  ist von aussen in der Er-Form gehalten. Dann kommt ein szenisches Theaterstück, dann schleichen wir uns über ein 'Wir' langsam in eine Ich-Form. Diesmal schildert Max aus seiner Sicht. Hierbei hat mir gefallen, wie Max, analog zu einer Hausfrau der 50er Jahre, von seinem erfolgreichen Künstler-Partner ausgehalten wird. Im nächsten Kapitel ist lange unklar, wer das Ich ist, bis ich dann Reik identifiziere und das Muster erkenne. Aber jetzt sind wir auch schon über der Hälfte der Gesamtseiten und ich merke, wie ich immer mehr 'quer' lese. Ein sicheres Zeichen, dass ich langweilig finde, was ich lese. Schade. Es kommt gemäss dem gewählten Muster noch ein Kapitel mit Ich = Tonio und eines mit Ich = Pega, das ich wiederum ganz gelungen fand. 

Wenn ich den Plot hätte als Autor ausfüllen müssen, hätte ich ab der Mitte drastisch gekürzt und zum Ende noch einspannendes Kapitel mit Ich = Nicole hinzugefügt. Sie ist die Freundin von Pega und poppt mit ihrem Vater Tonio.

Ich kann das Urteil der Buchpreis-Jury 2019 nachvollziehen.

Kintsugi hat mich mit sehr gemischten Gefühlen zurückgelassen. 

Zunächst mochte ich die Geschichte sehr gerne. Es hat mich sehr berührt unter welchen Umständen Pega aufwächst. Die Liebe ihres Vaters Tonio fand ich sehr schön und außergewöhnlich. Auch die Beziehung zwischen Reik und Max konnte mich faszinieren. Alle drei Männer  sind sehr besondere Charaktere mit Brüchen und besonderen Lebensumständen und Erfahrungen. Es hat mir gefallen, dass man nach und nach etwas mehr über jede der Personen erfährt. Die Sprecher lesen auch sehr angenehm. Nur die Stellen an den plötzlich die Lesung ins Hörspiel wechselt haben mir nicht ganz so gut gefallen. 

Leider fand ich den letzten Abschnitt des Buches nicht überzeugend. Ich war total irritiert über Pegas Verhalten und hätte diese Entwicklung niemals vorhergahnt. Für mich war es auch nicht schlüssig und nachvollziehbar. Sehr schade. Bis dahin hat es mir gut gefallen. 

Der Buchtitel "Kintsugi" passt perfekt zu diesem Buch. Wir erfahren in 4 Kapiteln, die jeweils in einer anderen Erzählperspektive erzählt werden, bruchstückhaft davon, wie die vier Personen zueinander stehen, wie sie in dem Wochenendhaus gelandet sind und was sie miteinander verbindet. In jedem Kapitel habe ich als Leserin mehr über die Beziehungen der Personen zueinander und deren Vergangenheit gelernt. Es war sehr interessant, jeweils einen anderen Blickwinkel kennen zu lernen. Teilweise waren mir persönlich die einzelnen Kapitel zu lang und ausschweifend, was aber vielleicht daran liegt, dass es keine Genreliteratur ist. Das Ende war überraschend und wehmütig zugleich. Eben wie Kintsugi- zerbrochen, aber mit Goldrand verziert.