Rezension zu Wolga, Wolga von Miljenko Jergović
Rezension zu "Wolga, Wolga" von Miljenko Jergovic
von Vanna
Rezension
Vannavor 11 Jahren
Dzelal Pljevljak, der ehemals beste Fahrer der jugoslawischen Armee und Chauffer des Generals Karamujic, fährt jeden Freitag in seinem Volga, den er von General abgekauft hat, von Split (Kroatien) nach Livno (Bosnien), um in der hiesigen Moschee dem Freitagsgebet beizuwohnen. Diese Reise tritt er seit etwa 15 Jahren, nach dem tragischen Verlust seiner Tochter und seiner Frau, jeden Freitag ohne Ausnahme an. Während eines frühherbstlichen Schneesturmes zwingt ihn ein Autounfall, im Dorf Fatumi (Bosnien) Hilfe zu suchen. Dort lernt er eine muslimische Familie kennen und beginnt, sie regelmäßig zu besuchen. Da nimmt das Unheil seinen Lauf. „Volga, Volga“ ist der Abschluss einer Trilogie Jergovics (weitere Bücher der Trilogie sind Buick Rivera und Freelander, die allerdings von der Handlung her nicht zusammenhängen.). Jergovic, der in Sarajevo geboren und gelebt hat und aktuell in Zagreb wohnt, hat in diesem Werk erneut einen einsamen Helden mit seinem Auto auf die Reise geschickt. Jergovic zeichnet in diesem Werk sehr liebevoll seinen Helden. Er schafft es wieder auf eine sehr subtile Weise das innere Leben eines einsamen und vom Leben enttäuschten Mannes wiederzugeben und die Seele eines Bosniers/Balkanmenschen mit Bezug auf die soziopolitische Situation auf dem Balkan in Worte zu fassen. Sein Leben wird nach und nach erzählt. Immer wieder springt Jergovic durch die Zeiten. Das Buch nimmt eine unerwartete Wendung und setzt sich am Ende zu einem klaren Ganzen, das die vielen Fragen, bis auf eine, schließlich beantwortet. Und als Leser bleibt man erstmal mit einem Gefühl, das ich jetzt gar nicht so richtig beschreiben kann. Man hat Mitleid mit Dzelal, diesem einsamen Mann, aber man freut sich in gewisser Weise am Ende mit und für ihn, auch wenn das Buch mit einer Situation endet, die alles andere als glücklich ist. Die Schlussworte von Dzelal und die des Buches sind: „Ich bin ein glücklicher Mensch, weil ich auch jetzt zu Gott bete und weil hinter meinem Rücken jemand steht, den ich gut kenne, Avram Prodanovic, mein Freund.“ Dieses Buch lässt einen nicht kalt. Man klappt es zu und denkt nach. Sicherlich ist es vom Vorteil, sich mit der Situation auf dem Balkan auszukennen. Aber ich denke, wenn man Interesse an liebevoll gezeichneten Persönlichkeitsstudien hat, wird man mit diesem Buch auch richtig liegen. Denn nicht die Handlung ist das Herzstück dieses Buches, sondern der Mensch Dzelal Pljevljak. Meiner Meinung nach schafft es kaum einer so wie Jergovic, die Menschen vom Balkan, oder vielleicht besser gesagt aus Bosnien, und die Situation dort wiederzugeben. Dabei ist er weitab davon, parteiisch zu sein. Fazit: lesenswert.