Rezension zu "Zwei Brüder" von Milton Hatoum
Elf Jahre hat sich Milton Hatoum für seinen zweiten Roman "Zwei Brüder" Zeit gelassen, immer wieder überarbeitet, daran gefeilt, abgeändert bis der Roman 2000 dann veröffentlicht wurde. Nun ist er auch ins Deutsche übersetzt worden - glücklicherweise!
Ein Roman, der eine Geschichte erzählt, die fast archaisch daher kommt, archaisch zumindest was die Gefühle und Emotionen angeht. Erzählt wird die Geschichte libanesischer Einwanderer der zweiten Generation, die in Manaus, der Urwaldmetropole, leben. Zu dieser Familie gehören die Zwillinge Omar und Yaqub, die in einer tiefsitzenden Rivalität leben, die schon in der Kindheit beginnt in Haß umzuschlagen. Diese verhängnisvolle Tendenz wird noch durch die einseitige Liebe der Mutter zu dem jüngeren der Zwillinge, Omar, bestärkt. Als Omar eines Tages Yaqub in rasender Eifersucht das Gesicht zerschlitzt, wird nicht Omar, sondern Yaqub in den Libanon geschickt, weil sich die Eltern erhoffen, daß eine Trennung der Zwillinge das Problem löst. Doch als Yaqub nach fünf Jahren nach Manaus zurückkehrt zeigt sich schnell, daß das ein Irrtum ist ja den Konflikt noch weiter verschärft hat.
Omar ist ein unbeherrschter, lebensunfähiger brutaler Egoist, der zum Tyrannen der Familie wird, weil ihn seine Mutter gewähren läßt. Yaqub geht schon bald nach Sao Paulo und macht zielstrebig Karriere. Doch der Haß gegen Omar schwelt weiter in ihm bis die Chance kommt sich an Omar zu rächen. Der Konflikt der Brüder zerstört die eigentlich tiefe Liebe der Eltern zueinander bzw. entfremdet die Eltern einander, denn Halim, der Vater sieht wie Omar seine Mutter in Beschlag nimmt (und sie läßt es nur allzu gern geschehen) und wie Yaqub unter der Zürückweisung gelitten hat und noch leidet.
Auch die später geborene Schwester wird in den Sog dieser Ereignisse hineingezogen, ebenso wie Domingas das indianische Dienstmädchen der Familie, das schon als Waise dort hinkam. Yaqub vergißt ihr nie, daß sie immer zu ihm gehalten hat, während Omar sie eines Tages brutal vergewaltigt hat.
Erzählt wird die ganze Geschichte von Nael, dem Sohn Domingas, der nicht weiß, welcher der beiden Zwillinge nun sein Vater ist. Letztlich zerstören die übermächtigen Gefühle der einzelnen Protagonisten die Familie und führen zum endgültigen Niedergang.
Ja, Milton Hatoum weiß zu erzählen, reißt seine Leser mit hinein in diesen Strudel der Ereignisse. Man wird erinnert an den Urkonflikt zwischen Abel und Kain aber auch an das andere berühmte biblische Zwillingspaar Jakob und Esau. Vielleicht nicht ganz zufällig der gleiche Name für den einen Zwilling und auch die Charaktere passen, der unbeherrschte auf die Erfüllung seiner Bedürfnisse ausgerichtete Omar und der ruhige aber listige Yaqub.
Übrigens, Milton Hatoums erster Roman der ursprünglich auf deutsch unter dem Titel "Emilie oder Tod in Manaus" erschienen ist, ist nun auch als Taschenbuch unter dem Titel "Briefe aus Manaus" veröffentlicht und empfiehlt sich ebenfalls zur Lektüre.