Cover des Buches Lempi, das heißt Liebe (ISBN: 9783446260047)
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Rezension zu Lempi, das heißt Liebe von Minna Rytisalo

Finnische Melancholie

von page394 vor 5 Jahren

Kurzmeinung: Wunderschön erzählt und, trotz ruhigen Erzähltempos, sehr fesselnd.

Rezension

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page394vor 5 Jahren
Trotz meiner Finnland-Affinität war Lempi das erste Buch aus der Feder einer finnischen Autorin in meinem Regal, und ich wurde nicht enttäuscht. Wie man es erwarten würde, ist Lempi ein Buch voller Melancholie und Trauer – aber auch ein Buch, das dem Leser ein Lächeln auf die Lippen zaubern kann. Spannung entsteht zwar eher unterschwellig, aber die tolle Sprache – man kann den Wald regelrecht riechen beim Lesen –, die perfekt ausgearbeiteten Charaktere und die finnische Melancholie, die sich durch das ganze Buch zieht, machen es schwer, es wieder aus der Hand zu legen. Mit nur knapp über 200 Seiten ist Lempi ganz sicher kein dicker Schinken – aber ein kostbares Kleinod unter meinen Büchern.

Viljami, ein junger Bauer aus Lappland, verliebt sich in die gebildete Kaufmannstochter Lempi. Die beiden heiraten, doch ihr Glück währt nur einen Sommer lang, dann muss er in den Krieg ziehen. Körperlich unversehrt kehrt er zurück – doch Lempi ist verschwunden.

Das Buch ist in drei Teile gegliedert, in denen jeweils eine Person von ihrem Leben mit Lempi erzählt:
Zuerst Viljami, der ohne seine Frau keinen Sinn mehr in seinem Leben sieht. Er erinnert sich an ihre Liebe und die schöne Zeit mit ihr; seine Trauer und Verzweiflung sind für den Leser nahezu greifbar. Er beschreibt Lempi als großherzige, liebenswürdige Person.
Elli, die Magd, die Viljami zu Lempis Unterstützung auf seinem Hof angestellt hat und die ihr als Freundin dienen sollte, erzählt ihre Sichtweise im zweiten Teil – und der sieht ganz anders aus, als der erste. Denn wie sich herausstellt, waren Elli und Lempi alles andere als Freundinnen. Zwischen den beiden herrschte Hass und Rivalität. Ellis Verbitterung gegenüber Lempi steht dabei besonders deutlich im Kontrast zu Viljamis Vergötterung. Spannungstechnisch liegt hier der Höhepunkt des Buches, weil Stück für Stück klar wird, was sich in Viljamis Abwesenheit zugetragen hat.
Der dritte und letzte Teil gehört Sisko, Lempis Schwester, die einen komplett anderen Weg im Leben eingeschlagen hat. Sie erzählt von ihrer Kindheit und Jugend mit Lempi, im Anschluss daran aber, bis auf wenige Anekdoten und Erinnerungen, nur noch von ihrem eigenen Leben – was nicht verwunderlich ist, denn auch sie und Lempi verlieren sich aus den Augen. Das ist mein einziger und winziger Kritikpunkt an dem Roman – ich hätte mir gewünscht, dass Sisko noch mehr auf Lempi eingeht. Verglichen mit den vorherigen Teilen des Buches hat sie aber das realistischste Bild ihrer Schwester. Viljami und Elli scheinen blind vor Liebe bzw. Hass gewesen zu sein.

Letztendlich bleibt es dem Leser aber selbst überlassen, sich ein Bild von Lempi zu machen. Denn obwohl man sie als Protagonistin des Romans bezeichnen kann, ist sie zu keinem Zeitpunkt selbst anwesend, sondern nur ein Teil des Lebens der anderen.

Insgesamt ein außergewöhnliches, wunderschönes Buch. Ich habe noch nie etwas Derartiges gelesen.

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