Rezension zu "Geheimnisse des Zen" von Miriam Levering
Dieses schön aufgemachte Buch soll uns in die Geheimnisse des Zen einweihen. Es enthält zahlreiche Originaltexte aus längst vergangener Zeit. Doch wer ist so ehrlich und gibt vor sich selber oder gar öffentlich zu, dass dies alles ein ziemlich wirres Zeug ist? Wenn man den Klappentext liest, dann sollte man sich eigentlich in Ehrfurcht üben. "Bewusstheit und Achtsamkeit, Gelassenheit und Harmonie sind Quellen der Lebensfreude und gleichzeitig wichtige Pfeiler der Zen-Philosophie."
So steht es dort geschrieben. Doch eine Philosophie ist ein geistiges Konzept, das sich der Verstand ausgedacht hat. Solche Konzepte lehnt der Zen-Buddhismus ab und macht sich darüber eher lustig. Im ersten Text aus "Die torlose Schranke" fragt ein Mönch Meister Joshu: "Besitzt ein Hund die Buddha-Natur oder nicht?" Und Joshu antwortet: "Mu!" Im 18. Text fragt ein Mönch Meister Tozan: "Was ist Buddha?" Und er bekommt zur Antwort: "Drei Pfund Flachs."
Nun gibt es tatsächlich Menschen, die sich über den tiefen Sinn solcher Antworten fürchterlich den Kopf zerbrechen. Dieses Buch ist voll von solchen Texten. Wer darin ein Geheimnis sucht, wird keines finden, denn es gibt keines. Wer Zen unbedingt verstehen will, wird niemals "mit den Augen der Meister sehen und mit den Ohren der Meister hören", wie der Zustand hier beschrieben wird, um den es eigentlich geht.
Wir sind durch unsere Kultur extrem kopflastig geworden. Dabei merken wir gar nicht mehr, dass wir unsere naturgegebene Wahrnehmung immer stärker einschränken. Denken können wir nur in Begriffen. Aber Begriffe sind abstrakte Vereinfachungen der Wirklichkeit und nur eine blasse Widerspiegelung der Realität. Sie bringen uns in eine duale oder bipolare Welt, die so erst in unserem Kopf entsteht. Zu jedem Begriff gibt es einen Komplementärbegriff. Zu gut passt schlecht, zu oben unten.
Manchmal gehen uns auch die Begriffe aus, zum Beispiel dann, wenn wir große Emotionen verspüren. Dann wirken alle dafür vorhandenen Begriffe flach, und wir suchen hilflos nach Worten. Hier könnten wir stutzen und ahnen, dass es mehr gibt als die Welt, die von unserem Verstand und seinen Begriffen aufgespannt wird. Aber wir tun lieber unser Unvermögen, Dinge in Worte zu fassen, die sich Worten entziehen, als Schwäche ab, statt den Hinweis zu beachten, der darin steckt.
Im Zen-Buddhismus geht es einfach nur darum, den einschränkenden und denkwütigen Verstand auszuschalten, der niemals Ruhe gibt und unsere ursprüngliche Verbindung zur Welt stört. Das sagen die alten Meister natürlich nicht. Stattdessen geben sie blöde Antworten. Entweder ihr Schüler kapiert es, oder eben nicht. Und so ist dieses Buch voll von scheinbar geheimnisvollen Texten, paradoxen Fragestellungen und sonstigem Zeug. Wer sich anstrengt, es verstehen zu wollen, ist leider auf dem Holzweg. Insofern haben diese Texte auch etwas Witziges an sich, was sich allerdings nicht gleich erschließt.
Den Zustand, um den es hier geht, erreicht man nicht durch Denken, sondern indem man sich von der Herrschaft des Verstandes befreit und lernt, ihn nur noch dann einzusetzen, wenn man ihn wirklich braucht. Und dann kommt man auch in eine Welt, die "von inneren Werten bestimmt wird", wie es so schön im Klappentext heißt. Nicht jedoch, wenn man sich anstrengt, ein besonders spiritueller oder besonders guter Mensch zu werden.
Fazit.
Dieses schön aufgemachte Buch enthält zahlreiche historische Zen-Texte, die nichts weiter sind als eine absichtliche Verwirrung des Geistes. Offenbar wirken sie noch heute erfolgreich in diese Richtung und haben selbst die akademische Herausgeberin dieses Buches erreicht.