Kennt ihr dieses Gefühl, ein Buch nach der Lektüre vor lauter Frust über die verschwendete Zeit quer durch das Zimmer werfen zu wollen? So ging es mir nach langer Zeit mal wieder, als ich "Hera" las. Die Ich-Erzählerin ist eine Rechtsanwältin, die nebenbei als Domina arbeitet. Sie wird von einem Verehrer auf sein Anwesen eingeladen, um ein paar Tage mit ihm zu verbringen - rein platonisch. Der Mann stellt sich als mehrfacher Millionär heraus, ist ein hochintelligenter Schöngeist und lebt in einem Palast von aberwitzigem Prunk. Während ihrer Gespräche erzählt Hera ihrem Gastgeber Purius von ihrem Nebenjob als Domina und einzelne Episoden aus dem S/M-Studio. Diese erotischen Erzählungen sind auch das Einzige, was hier interessant ist und wurden immer wieder eingestreut, wohl um den Leser bei der Stange zu halten. Alles andere kann man unter dem Begriff "Müll" zusammenfassen, und das liegt vor allem an den endlosen Beschreibungen von Purius´ Protzpalast. Hier gibt es nichts, was es nicht gibt: Alles aus Gold und Marmor, lebende Apfelbäume in der Eingangshalle, ein pinkfarbener Sarg aus Zuckerguss, ein Wasserhahn, aus dem Rotwein fließt (wenn auch nur "billiger Fusel für 70 Euro die Flasche")....Noch nichtmal in Märchenbüchern konnte ich von so einem Prunk lesen wie hier. Und dann die Dialoge: Dieses schöngeistige wohlartikulierte Geschwafel kann ich mir beim besten Willen nicht in Wirklichkeit vorstellen. Kostprobe gefällig? "Aber geschätzter Abbé, seien Sie doch nicht so streng. Abgesehen davon, hängt nicht in Ihrem Obergeschoss versteckt ein Werk, und zwar kein unbedeutendes, von Herrmann Nitsch?" "Oh, ich gebe mich geschlagen, teuerste Mademoiselle, ich gebe mich geschlagen. Es stammt von Nitsch, es ist contemporary und es ist Kunst, große Kunst! Aktionismus - und gerade der Wiener Aktionismus - ist Kunst. Gut pariert, Mademoiselle, gut pariert!" Und von diesen Dialogen gibt es viele. Seeeehr viele. Eigentlich sind die beiden permanent am Reden, wenn sie nicht gerade die herrlichsten Köstlichkeiten genießen (z.B. Kaffee mit Goldstaub) oder Purius seinen Gast durch sein pompöses Schloss führt. Jeden Tag gibt es neue Räume zu entdecken, einer bizarrer als der andere. Alles an diesem Buch ist vollkommen übertrieben und unglaubwürdig, auch Hera selbst. Man stelle sich das vor: Sie ist Rechtsanwältin, Domina (beides recht zeitaufwändige Berufe, wie ich denke) und auch noch Filmproduzentin. Und natürlich ist sie überall spitze. Irgendwie findet sie auch noch die Zeit, ausgiebig mit ihren geliebten Hunden umherzutollen. Ihr Tag hat anscheinend mindestens 36 Stunden, oder sie lässt die lästige Schlaferei einfach weg. Ach ja - die ganze Geschichte soll tatsächlich wahr sein! Ich glaube ja vieles, aber das nicht, beim besten Willen. Dieses Buch ist einfach nur ärgerlich, da kann auch der wirklich interessante Einblick in die S/M-Szene nichts retten.
Rezension zu "Hera" von Mirko J Simoni