Cover des Buches 13 Hours (ISBN: 9783864703539)
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Rezension zu 13 Hours von Mitchell Zuckoff

Minutiöse Schilderung eines absehbaren Desasters

von Dr_M vor 8 Jahren

Rezension

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Dr_Mvor 8 Jahren
Man kann ein patriotisches Heldenepos wie dieses so verstehen, wie man es als US-Bürger wohl verstehen soll, denn dafür wurde es schließlich geschrieben. Aber natürlich steht es jedem frei, es auch als den interessanten Versuch zu betrachten, aus einem totalen Desaster noch ein mehr als merkwürdiges Überlegenheitsgefühl herauszuquetschen. Oder aber man liest es, um sich seinen Teil zu denken, die Fakten zu sortieren und an diesem Beispiel wieder einmal zu beobachten, mit welchem unfassbaren Dilettantismus die US-Administrationen (und hier insbesondere die damalige Außenministerin Clinton) in der Welt unterwegs sind.

Was sind die Fakten, auf denen diese amerikanische Heldensaga beruht? Man schreibt den 11. September 2012. Der vom Westen gehasste Diktator Gaddafi wurde im Namen von Freiheit und Demokratie vor einiger Zeit aus einem Abflussrohr gezogen und bestialisch umgebracht. Der libysche Staat bricht daraufhin für einigermaßen klar denkende Menschen nicht ganz unerwartet in sich zusammen. Im Land herrscht nun schon eine Weile Krieg und Anarchie. In der arabischen Welt tobt zu diesem symbolischen Datum auch noch eine militante Aufruhr, weil im Netz das Video "Die Unschuld der Muslime" kursiert. Ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt macht sich der leicht verwirrte US-Botschafter in Libyen von seiner Residenz in der Hauptstadt Tripolis nach Bengasi auf, um dort mit irgendwelchen Leuten "in einen Dialog" zu kommen, weil er glaubt, er könne auf diese Weise dem Land helfen. Seine Anwesenheit wird in der Stadt bekannt.

Das US-Konsulat in Bengasi gleicht eher einem Ferienclub und wird von einer "befreundeten" libyschen Miliz bewacht. Aber es gibt ein wenig entfernt von diesem Ort noch einen "geheimen" CIA-Stützpunkt, von dem natürlich niemand etwas wissen darf. Die Helden dieses als Roman geschriebenen "Tatsachenberichts" dienen dort. Sie sind (wie man im Text liest) "ein Trupp von Elitesoldaten, die aus dem US-amerikanischen Militär ausgeschieden waren und sich einer Geheimorganisation angeschlossen hatten, die sich dem Schutz geheimer Operationen des US-amerikanischen Nachrichtendienstes im Ausland auf die Fahne geschrieben hatte". Diese Truppe trägt den Namen Global Response Staff (GRS), und die Herren heißen GRS-Operateure.

Als es an diesem Tag in Bengasi dunkel wird, beginnt ein Angriff auf das US-Konsulat. Die arabischen Bewacher verdrücken sich (wie man es wohl erwarten musste) und der Botschafter flieht mit seinem Bodygard in einen geschützten Raum. Das Gebäude wird mit Dieseltreibstoff angezündet. Die zu Hilfe gerufenen GRS-Operateure können nicht sofort losfahren, weil der CIA-Statthalter fürchtet, mit ihrem Eingreifen seine Tarnung zu verlieren. Als diese Leute dennoch eingreifen, ist es bereits zu spät. Und die darauf hin losbrechenden Gefechte gehen später auch auf die CIA-Basis über. Am Ende gibt es zahlreiche Tote auf der US-Seite, darunter auch den US-Botschafter. Das Konsulat wurde ebenso zerstört wie Teile des CIA-Areals.

Das Buch schildert nun mit einer minutiösen Gründlichkeit, aber völlig unkritisch die beiden Gefechte und möchte damit den wenigen US-Kämpfern, die es mit einer überlegenen Zahl von Angreifern aufnahmen, ein patriotisches Denkmal setzen. Ob das gelungen ist, kann ich nicht beurteilen, weil ich das Buch völlig anders gelesen habe. Es verrät nämlich nebenbei auch, mit welcher unglaublichen Naivität dieser US-Botschafter tätig war, welche Strukturen die USA in Libyen aufgebaut hatten und mit welcher (auch im Nachhinein akzeptierten) Gleichgültigkeit die CIA-Bosse auf das sich anbahnende Desaster reagierten.

Das Eingreifen der in diesem Buch besungenen Helden hat die Katastrophe nicht verhindert, sondern eher vergrößert. Aber das konnten diese Leute zu diesem Zeitpunkt nicht wissen. Und man kann auch verstehen, dass sie nicht tatenlos zusehen wollten, wie ein Konsulat ihres Landes angegriffen wird. Was wirklich verwundert, ist die Tatsache, dass dieses im Vorfeld bereits absehbare Desaster die damalige Außenministerin nicht ein für alle Male als Führungskraft abqualifiziert hat. Vielleicht wird sie ja nun Präsidentin des Landes.

Auf diese und andere politische Fragen geht das Buch ausdrücklich nicht ein, sondern erwähnt sie nur ganz kurz am Ende.
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