Hauptperson und Erzähler des Romans ist Diégayne Latyr Faye, ein junger senegalesischen Autor. Dieser hat bereits als Schüler von einem Autor namens T.C. Elymane gehört, dessen einziges Werk ein im Jahr 1938 erschienenes Buch namens »Das Labyrinth des Unmenschlichen« ist. Das weckt Fayes Neugier, das Buch ist jedoch unauffindbar und der Autor kurz nach der Veröffentlichung verschwunden. Mbougar Sarrs Roman spielt im Jahr 2018 und handelt von der Suche nach den Spuren des unauffindbaren Buches und seines Autors.
Bei seiner damaligen Veröffentlichung löste »Das Labyrinth des Unmenschlichen« eine Debatte in der Literaturwelt aus. Für den Roman, der von einem afrikanischen König handelt, wird er von den einen als »schwarzer Rimbaud« gefeiert, zugleich sieht er sich Vorwürfen des Plagiats ausgesetzt. Elymane will sich dazu nicht äußern, stattdessen zieht er sich zurück, das Buch wird vom Markt genommen. Er fühlt sich missverstanden.
Somit ist der Kolonialismus und die Beziehung Frankreichs zu seinen (ehemaligen) Kolonien das wohl zentrale Thema dieses Romans. Anhand des Literaturbetriebs stellt Mbougar Sarr vorzüglich den Kampf um Deutungshoheit und Teilhabe dar. Er handelt davon, wie man sich als senegalesischer Autor bis heute zwischen dem Senegal und Frankreich verloren fühlt, all dem Zwiespalt. Er prangert somit eindeutig die postkolonialen Verhältnisse in Frankreich an. Aber Mbougar Sarrs Werk ist kein moralisches und belehrendes. Es ist ein Werk, das die Hand ausstreckt und dazu aufruft, es besser zu machen.
All das wird von einer sehr lebendigen Erzählweise getragen, langweilig wird das Buch nicht. Der Protagonist Diégayne Latyr Faye reist umher, lässt sich Geschichten erzählen und gerät dabei selbst in großen Teilen des Buchs in den Hintergrund. Man begleitet ihn immer, aber oft lauscht man nur mit ihm gemeinsam den Geschichten, die Weggefährten ihm gerade erzählen. Diese Perspektivwechsel und die vielen Personen, denen man begegnet, verlangen dem Leser mitunter einiges ab, machen die Erzählung aber unfassbar vielseitig und unterhaltsam. Mbougar Sarrs Roman ist selbst voller literarischer Referenzen, die er einbezieht und zu einem Teil des Romans macht.
Zugleich wird man dem Roman nicht gerecht, wenn man ihn auf das Postkoloniale reduziert. Der Roman ist viel mehr, er handelt vom Verborgenen, von der Literatur und vor allem: vom Leben. Am 12. Juli 2018 schreibt Diégayne Latyr Faye in sein Tagebuch, was ihm sein Mitbewohner Stanislas an diesem Tag sagte: »Les gens veulent qu'un livre parle nécessairement de quelque chose. La vérité, Diégane, c'est que seul un livre médiocre parle de quelque chose. Un grand livre n'a pas de sujet et ne parle de rien, il cherche seulement à dire ou découvrir quelque chose, mais ce seulement est déjà tout, et quelque chose aussi est déjà tout.« Und so sollte man nicht weiter versuchen, zu beschreiben, wovon »Die geheimste Erinnerung der Menschen« eigentlich handelt, denn ein solcher großer Roman ist es zweifelsfrei. Man sollte nur eines tun: Es lesen!