Mohamed Mbougar Sarr

 4,2 Sterne bei 43 Bewertungen

Lebenslauf

Mohamed Mbougar Sarr, geboren 1990 in Dakar, wuchs im Senegal auf und studierte in Frankreich Literatur und Philosophie. Er hat bereits drei Romane veröffentlicht, für die er u.a. mit dem Prix Stéphane-Hessel und Grand prix du roman métis ausgezeichnet wurde. Für Die geheimste Erinnerung der Menschen (Hanser, 2022), seinem ersten Werk, das auf Deutsch erschien, erhielt er 2021 den Prix Goncourt.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Mohamed Mbougar Sarr

Cover des Buches Die geheimste Erinnerung der Menschen (ISBN: 9783446274112)

Die geheimste Erinnerung der Menschen

 (43)
Erschienen am 24.11.2022

Neue Rezensionen zu Mohamed Mbougar Sarr

Cover des Buches Die geheimste Erinnerung der Menschen (ISBN: 9783446274112)
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Rezension zu "Die geheimste Erinnerung der Menschen" von Mohamed Mbougar Sarr

Literarische Spurensuche
usum56vor 10 Tagen

Das Buch zeichnet die vielschichtige Suche nach einem (fiktiven) verschollenen afrikanischen Autor nach, nach dessen Werk und dessen Sinn. Gleichzeitig zeigt es, wie verschieden ein Leben, die Identität und das Zugehörigkeitsgefühl und eben auch die Literatur im Bannkreis zweier Kulturen - die der Kolonialmacht und die der afrikanischen Heimat in ihrer Vielfalt - aussehen und wie sie sich entwickeln können.


Ich fand dieses Werk und seine raffinierte Erzählstruktur wirklich faszinierend. Es zeigt auf vielfältige Weise die Zerrissenheit und die Widersprüchlichkeiten eines Lebens und der Literatur zwischen den Kulturen. Was ich hingegen weniger mochte, war die sehr geheimnisvolle Aura um die Hauptfigur, darauf spreche ich persönlich einfach nicht an. Deshalb sind es nach längerem Zögern schlussendlich ‘nur’ vier Herzen geworden.


Der Roman ist durchgehend sehr fordernd und macht es einem nicht leicht durch seinen komplexen Aufbau. Aber es lohnt sich und auch wenn ich dem Buch nicht die Höchstnote vergebe, empfehle ich es allen, die sich auf eine intensive bereichernde Lektüre einlassen möchten.

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Cover des Buches Die geheimste Erinnerung der Menschen (ISBN: 9783446274112)
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Rezension zu "Die geheimste Erinnerung der Menschen" von Mohamed Mbougar Sarr

Von der Suche nach einem verloren geglaubten Roman
aktionskuenstlervor 18 Tagen

Hauptperson und Erzähler des Romans ist Diégayne Latyr Faye, ein junger senegalesischen Autor. Dieser hat bereits als Schüler von einem Autor namens T.C. Elymane gehört, dessen einziges Werk ein im Jahr 1938 erschienenes Buch namens »Das Labyrinth des Unmenschlichen« ist. Das weckt Fayes Neugier, das Buch ist jedoch unauffindbar und der Autor kurz nach der Veröffentlichung verschwunden. Mbougar Sarrs Roman spielt im Jahr 2018 und handelt von der Suche nach den Spuren des unauffindbaren Buches und seines Autors.

Bei seiner damaligen Veröffentlichung löste »Das Labyrinth des Unmenschlichen« eine Debatte in der Literaturwelt aus. Für den Roman, der von einem afrikanischen König handelt, wird er von den einen als »schwarzer Rimbaud« gefeiert, zugleich sieht er sich Vorwürfen des Plagiats ausgesetzt. Elymane will sich dazu nicht äußern, stattdessen zieht er sich zurück, das Buch wird vom Markt genommen. Er fühlt sich missverstanden.

Somit ist der Kolonialismus und die Beziehung Frankreichs zu seinen (ehemaligen) Kolonien das wohl zentrale Thema dieses Romans. Anhand des Literaturbetriebs stellt Mbougar Sarr vorzüglich den Kampf um Deutungshoheit und Teilhabe dar. Er handelt davon, wie man sich als senegalesischer Autor bis heute zwischen dem Senegal und Frankreich verloren fühlt, all dem Zwiespalt. Er prangert somit eindeutig die postkolonialen Verhältnisse in Frankreich an. Aber Mbougar Sarrs Werk ist kein moralisches und belehrendes. Es ist ein Werk, das die Hand ausstreckt und dazu aufruft, es besser zu machen.

All das wird von einer sehr lebendigen Erzählweise getragen, langweilig wird das Buch nicht. Der Protagonist Diégayne Latyr Faye reist umher, lässt sich Geschichten erzählen und gerät dabei selbst in großen Teilen des Buchs in den Hintergrund. Man begleitet ihn immer, aber oft lauscht man nur mit ihm gemeinsam den Geschichten, die Weggefährten ihm gerade erzählen. Diese Perspektivwechsel und die vielen Personen, denen man begegnet, verlangen dem Leser mitunter einiges ab, machen die Erzählung aber unfassbar vielseitig und unterhaltsam. Mbougar Sarrs Roman ist selbst voller literarischer Referenzen, die er einbezieht und zu einem Teil des Romans macht.

Zugleich wird man dem Roman nicht gerecht, wenn man ihn auf das Postkoloniale reduziert. Der Roman ist viel mehr, er handelt vom Verborgenen, von der Literatur und vor allem: vom Leben. Am 12. Juli 2018 schreibt Diégayne Latyr Faye in sein Tagebuch, was ihm sein Mitbewohner Stanislas an diesem Tag sagte: »Les gens veulent qu'un livre parle nécessairement de quelque chose. La vérité, Diégane, c'est que seul un livre médiocre parle de quelque chose. Un grand livre n'a pas de sujet et ne parle de rien, il cherche seulement à dire ou découvrir quelque chose, mais ce seulement est déjà tout, et quelque chose aussi est déjà tout.« Und so sollte man nicht weiter versuchen, zu beschreiben, wovon »Die geheimste Erinnerung der Menschen« eigentlich handelt, denn ein solcher großer Roman ist es zweifelsfrei. Man sollte nur eines tun: Es lesen!

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Cover des Buches Die geheimste Erinnerung der Menschen (ISBN: 9783446274112)
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Rezension zu "Die geheimste Erinnerung der Menschen" von Mohamed Mbougar Sarr

Was für ein Buch?
dj79vor 4 Monaten

Mit dem Lesen des vorliegenden Romans habe ich an einem vielschichtigen Erlebnis teilgenommen. Multiple Emotionen wurden ausgelöst und gleichzeitig kann ich das Gelesene nicht vollständig greifen. Wenn ich darüber nachdenke, finde ich viele interessante, angesprochene Themen wieder. Trotzdem habe ich das Gefühl, der Inhalt des Romans würde mir entgleiten, so als ob Sand unaufhaltsam durch die Finger rinnt. Das war auch schon während des anspruchsvollen Leseprozesses der Fall.

Inhaltlich lässt sich der Roman somit kaum rekapitulieren. Übergreifend kann ich sagen, dass die Protagonisten dem französischen Literaturbetrieb angehören und überwiegend afrikanische Wurzeln haben. Ihr Schaffen findet in zeitlicher Hinsicht auf Distanz statt. Die beiden Hauptfiguren, der Doktorand Diégane Faye und der Autor des legendären Buches „Das Labyrinth des Unmenschlichen“, T. C. Elimane, treten dabei lediglich über Dritte in Kontakt. Streng genommen, stößt Diégane Faye auf der Suche nach der eigenen Identität als Schriftsteller mehr oder weniger zufällig auf Elimanes Roman, der dann in der Folge scheinbar Besitz von Diégane ergreift. Fast nebenbei finden Themen wie die Weltkriege aus Sicht der kolonialisierten Welt, maßlose Gewalt, Rassismus im Literaturbetrieb, Glaube und Spiritualität sowie freie Sexualität ihren Platz in Mohamed Mbougar Sarrs Roman.

Das war in meiner Wahrnehmung eigentlich ein Overload, ein bisschen zu viel von Allem. Manchmal gingen mir die vielen Erzählperspektiven auch ein Stück weit auf die Nerven. Nur mit höchster Konzentration war es überhaupt möglich, den Gedanken des Autors zu folgen. Dennoch habe ich mich von Diéganes Wahn, Elimane zu finden, anstecken lassen. Dabei bin ich interessanten Zwischengeschichten begegnet, habe auf historische Ereignisse einen anderen Blickwinkel eröffnet bekommen. Eine beeindruckende Erfahrung.

Rückblickend empfinde ich den Roman als literarisches Kunstwerk und ein bisschen auch als Geniestreich. Wir lesen einen literarisch sehr hochwertigen Text, in dem Elimane mit seinem Roman als „schwarzer Rimbaud“ zunächst gefeiert, später fast ausschließlich verrissen wird. Dabei ist Elimanes Werk eine Ode an die Weltliteratur. Passend zu diesem Geniestreich greifen auch die Titel der Romane gekonnt ineinander. Wir lesen „Die geheimste Erinnerung der Menschen“, der Roman im Roman ist mit „Das Labyrinth des Unmenschlichen“ überschrieben. Ausgehend von ihren Titeln gehen die beiden Geschichten ineinander über, verschwimmen ein wenig und das Lesen fühlt sich ein bisschen an wie in Trance. Das hatte schon was.

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