Rezension zu Exit West von Mohsin Hamid
Tiefgang mit leichter Hand auf wenigen Seiten.
von wandablue
Kurzmeinung: Ein sehr "leichter" Roman mit großem Tiefgang zum Thema Asylanten.
Rezension
wandabluevor 6 Jahren
Tiefgang auf wenigen Seiten.
Saeed und Nadia. Der erste Satz: „In a city swollen by refugees but still mostly at peace, or at least not yet openly at war, a young man met a young woman in a classroom and did not speak to her.“ In dem Moment, in dem sie aufeinandertreffen, haben beide noch eine Zukunft. Das wird sich ändern.
Diese Stadt wird nicht näher bezeichnet, sie ist von Bergen umgeben, eine hauptsächlich muslimisch geprägte Stadt, die mehr und mehr von intoleranter Miliz übernommen wird. Jede persönliche Freiheit wird ausradiert. Wer kann, geht weg. Flieht. Nicht näher beschriebene „Türen“ öffnen sich in den Westen. Überall. Der Westen wird überflutet.
Der Autor beschäftigt sich mit dem Einbruch anderer Kulturen in den Westen, also Europa, und dessen Folgen. Als exemplarischen Einzelfall zeichnet er den inneren Verlauf einer Beziehung zwischen Mann und Frau, die nur durch Druck äusserer Umstände überhaupt zustande kommt, sich verdichtet und wieder auseinandertriftet.
Was Mohsin Hamids Roman von anderen Romanen dieses Themenkreises unterscheidet, ist seine lyrische Aufarbeitung. Nicht alle Thesen, die seine Protagonisten vertreten oder denken, möchte man so teilen. Türen, die man nie mehr schließen kann? Bewahre!
Die Missstände, die „Exit West“ aufzeigt, weisen ausschließlich in den Westen, und das ist die Kritik: Die Einseitigkeit. Indirekt und natürlich zu Recht angeprangert wird der Umgang mit den Ankömmlingen, all die bekannten Probleme. Man möchte weinen, wenn die Menschlichkeit wieder einmal auf der Strecke bleibt.
Was in „Exit West“ indes fehlt, ist der Hinweis darauf, dass die Misere nicht vom Westen, sondern vom Osten ausgeht und man nicht nur die Frage nach dem Recht im Westen leben zu dürfen stellen darf, sondern fordern muss, dass der Osten seine Probleme in den Griff bekommt, vornehmlich die der Unterdrückung der Frauen, vornehmlich die, die aus der Überhöhung des Islam kommen, aus dem fundamentalistischen Islam.
Doch die Darstellung innerer Vorgänge beschäftigen Hamid noch viel mehr als die äusseren Umstände. Seine Figuren sind Gezeichnete für immer, selbst wenn sich der Roman am Ende versöhnlich zeigt.
„Exit West“ ist vordergründig ein Liebesroman, im Fokus ein Einzelschicksal, und doch werden große Themen aufgelegt. Die lyrische Verarbeitung des Stoffes ist großartig.
Fazit: Leicht wie eine Feder. Dennoch mit Sprengkraft. Einfach große Kunst. Leseempfehlung!
Kategorie: Auf der Shortlist des Man Booker Prize 2017
Verlag: Hamish Hamilton, 2017
Saeed und Nadia. Der erste Satz: „In a city swollen by refugees but still mostly at peace, or at least not yet openly at war, a young man met a young woman in a classroom and did not speak to her.“ In dem Moment, in dem sie aufeinandertreffen, haben beide noch eine Zukunft. Das wird sich ändern.
Diese Stadt wird nicht näher bezeichnet, sie ist von Bergen umgeben, eine hauptsächlich muslimisch geprägte Stadt, die mehr und mehr von intoleranter Miliz übernommen wird. Jede persönliche Freiheit wird ausradiert. Wer kann, geht weg. Flieht. Nicht näher beschriebene „Türen“ öffnen sich in den Westen. Überall. Der Westen wird überflutet.
Der Autor beschäftigt sich mit dem Einbruch anderer Kulturen in den Westen, also Europa, und dessen Folgen. Als exemplarischen Einzelfall zeichnet er den inneren Verlauf einer Beziehung zwischen Mann und Frau, die nur durch Druck äusserer Umstände überhaupt zustande kommt, sich verdichtet und wieder auseinandertriftet.
Was Mohsin Hamids Roman von anderen Romanen dieses Themenkreises unterscheidet, ist seine lyrische Aufarbeitung. Nicht alle Thesen, die seine Protagonisten vertreten oder denken, möchte man so teilen. Türen, die man nie mehr schließen kann? Bewahre!
Die Missstände, die „Exit West“ aufzeigt, weisen ausschließlich in den Westen, und das ist die Kritik: Die Einseitigkeit. Indirekt und natürlich zu Recht angeprangert wird der Umgang mit den Ankömmlingen, all die bekannten Probleme. Man möchte weinen, wenn die Menschlichkeit wieder einmal auf der Strecke bleibt.
Was in „Exit West“ indes fehlt, ist der Hinweis darauf, dass die Misere nicht vom Westen, sondern vom Osten ausgeht und man nicht nur die Frage nach dem Recht im Westen leben zu dürfen stellen darf, sondern fordern muss, dass der Osten seine Probleme in den Griff bekommt, vornehmlich die der Unterdrückung der Frauen, vornehmlich die, die aus der Überhöhung des Islam kommen, aus dem fundamentalistischen Islam.
Doch die Darstellung innerer Vorgänge beschäftigen Hamid noch viel mehr als die äusseren Umstände. Seine Figuren sind Gezeichnete für immer, selbst wenn sich der Roman am Ende versöhnlich zeigt.
„Exit West“ ist vordergründig ein Liebesroman, im Fokus ein Einzelschicksal, und doch werden große Themen aufgelegt. Die lyrische Verarbeitung des Stoffes ist großartig.
Fazit: Leicht wie eine Feder. Dennoch mit Sprengkraft. Einfach große Kunst. Leseempfehlung!
Kategorie: Auf der Shortlist des Man Booker Prize 2017
Verlag: Hamish Hamilton, 2017