Thematisch trifft dieses Buch genau meinen Geschmack. Trotzdem habe ich mehrere Monate dafür gebraucht, weil es sich nicht so ganz entscheiden kann, ob es Populärsachbuch oder Forschungsbericht sein möchte - zulasten der Lesbarkeit.
In "Deutsche Dämonen" befasst sich die die Historikerin Monica Black, deren Schwerpunkt auf deutscher Kultur-und Sozialgeschichte liegt, mit der deutschen Nachkriegszeit. Genauer gesagt: Mit dem Phänomen, dass in den 1950ern der Glaube an Übernatürliches, an das "Böse" und an Hexen, an spirituell-esoterische Heilpraxis etc. große Teile der Bevölkerung erfasste. Am Beispiel des "Wunderheilers" Bruno Gröning und regionaler Stigmatisierung von Einzelpersonen als mit dem Teufel im Bunde arbeitet Black deutsche Verdrängungsmechanismen heraus: Statt über die Vernichtungspolitik zu sprechen, bestand die Kommunikation vor allem aus Nichtgesagtem und aus Andeutungen, trafen Grönings religiöse Heilversprechen auf eine Bevölkerung, die sich nach Erlösung sehnte und mit ihrer Schuld nicht befassen konnte und wollte. Die Schuld an privatem Unglück konnte nicht mehr offen bei Jüdinnen und Juden gesucht werden - daher richtete sie sich gegen das vermeintlich Okkulte und angebliche Hexen. Von behördlicher Seite wurden akute Bedrohungssituationen oft eher verharmlost.
Während der Inhalt also wirklich spannend und wichtig ist, verliert das Buch aber bei der Form. Denn m.E. gehört es auch zur Aufgabe populärwissenschaftlicher Bücher, den Inhalt für ein Laienpublikum aufzubereiten. Wo sich Quellenbeleg an Quellenbeleg und Direktzitat an Direktzitat reihen, Wiederholungen häufig sind und einzelne Dokumente und Funde akribisch präsentiert werden, haben der rote Faden und das Argument das Nachsehen.
So bleibt das Buch sehr deskriptiv und reiht Ereignisse chronologisch aneinander - einerseits, fällt dann aber auch teilweise durch sehr umgangssprachliche Formulierungen und Annahmen auf, die weniger belegt werden - andererseits.
Soll es ein Populärsachbuch sein, wie Verlag und Titel schließen lassen, so hat es auf diese Kleinteiligkeit nicht vorbereitet. Der eigentlich angenehme narrativ-historische Stil vieler amerikanischer und britischer Historiker*innen konnte durch die Überfrachtung mit Archivfunden auch nicht ganz greifen. Dadurch zog sich das eigentlich nicht so dicke Buch sehr und ich musste mich überreden, weiterzulesen. Die Menge an Quellen bietet dagegen Interessierten viele Möglichkeiten, sich eigene Gedanken zu machen. Dadurch wird allerdings auch viel Verantwortung an die Leser*innen übergeben, was zulasten des Arguments geht.
Wäre es nicht so ein spannendes Thema gewesen, hätte ich es vermutlich abgebrochen. Das ist wahnsinnig schade und sicher auch subjektiv, weshalb ich allen, die das Thema interessiert, trotzdem einen Blick in dieses Buch empfehle. Aber seid vorgewarnt: Trockene Fakten schlagen Spannung!