Cover des Buches In manchen Nächten (ISBN: 9783442746330)
Rezension zu In manchen Nächten von Monica Kristensen

Mehr für Arktisfreunde als Thrillerfans

von Ein LovelyBooks-Nutzer vor 10 Jahren

Rezension

Ein LovelyBooks-Nutzervor 10 Jahren
Pro:
Der große Pluspunkt des Buches sind die beiden Schauplätze in der Arktis: das kleine norwegische Städtchen Longyearbyen und die russische Siedlung Barentsburg. Beide Orte, die unterschiedlicher nicht sein könnten, werden wunderbar und detailliert beschrieben: Longyearbyen mit seinen sauberen, buntgestrichenen Häuschen, den kleinen Läden, den vielfältigen Freizeitangeboten, und Barentsburg, das von Verfall und Trostlosigkeit dominiert wird, wo den Menschen nur wenig geboten wird außer der Kneipe und der Arbeit. Mein Mann liebt die Arktis über alles und war schon viele Male dort oben, und ich habe ihn auch einmal begleitet, daher bin ich in beiden Orten schon gewesen und war beeindruckt davon, wie perfekt die Autorin die Atmosphäre einfängt.

Auch die politischen Beziehungen zwischen den Norwegern und Russen in der Arktis werden ausführlich geschildert, mit all dem gegenseitigen Mißtrauen und dem angestauten Zorn über vergangene Konflikte.

Barentsburg und Longyearbyen bilden einen originellen Hintergrund für diesen Krimi. Wer sich für die Arktis oder generell für politische, kulturelle oder soziologische Fragen interessiert, wird in diesem Buch viel geboten bekommen.

Knut ist ein schwieriger Charakter - er hat ein ernsthaftes Alkoholproblem und frönt dem Suff auch während der Arbeitszeit und in Situationen, in denen er eigentlich einen klaren Kopf behalten müsste, er steigt mit einer Frau ins Bett, die mit den Ermittlungen zu tun hat... Trotzdem ist er mir im Laufe des Buches nach und nach ans Herz gewachsen, aber es war eine schwere Geburt. Leider habe ich mich auch mit den anderen Charakteren schwer getan. (S. "Kontra")

Den Schreibstil würde ich größtenteils als kompetent bezeichnen, bis auf ein paar Szenen, die ich nicht 100%ig gelungen fand. (S. "Kontra")

Nur manchmal schleichen sich Passagen ein, die plötzlich poetisch und eindringlich ein wenig von dem vermitteln, was den Zauber der Arktis ausmacht. Ich hätte mir mehr solcher Passagen gewünscht!

Kontra:
Das Cover ist zwar an sich recht ansprechend und vermittelt auch eine schön düstere Atmosphäre... Nur passt es nicht wirklich zu den Örtlichkeiten, an denen der Ort spielt, denn weder Longyearbyen noch Barentsburg haben einen Leuchturm! Aber den meisten Lesern wird das nicht auffallen, das ist also Meckern auf hohem Niveau.

An Spannung und Tempo krankt dieser Thriller erheblich. Die Grundsituation könnte so spannend und geradezu nervenzerfetzend sein: der norwegische Ermittler sieht sich in Barentsburg einer eingeschworenen Gemeinschaft gegenüber, die ihm mit Mißtrauen und Ablehnung begegnet - und dann sorgen die Wetterbedingungen noch dafür, dass er den Ort fürs Erste nicht mehr verlassen kann... Aber weder die Ermittlungen noch die rätselhaften Ereignisse kommen so recht in Gang. Knut Fjeld scheint ziel- und planlos vorzugehen und dabei einen Fehler nach dem anderen zu begehen... Die Dinge, die er herausfindet, findet er eher zufällig heraus. Zwischendurch zieht sich die Handlung ziemlich, und gegen Ende werden die vielen verschiedenen Handlungsstränge mehr verwirrend als spannend. Und wo ich schon vom Ende spreche - das fand ich sehr konstruiert und enttäuschend.

Für die Nebenhandlung - Fischschmuggel und Umgehung der Fangquoten - konnte ich mich nicht recht erwärmen, da an dieser erstmal nur Charaktere beteiligt waren, über die ich als Leser fast nichts wusste und/oder die ich nicht gut genug kennengelernt hatte, um mit ihnen mitzufiebern. Wäre diese Handlung komplett weggelassen worden, ich hätte sie wohl nicht vermisst.

Die meisten der Charaktere blieben für mich unnahbar und schwer zu erfassen. Zum Teil ist das vielleicht Absicht, um die Kluft zwischen dem norwegischen Ermittler und den russischen Bewohnern von Barentsburg zu verdeutlichen, aber ob Absicht oder nicht, das macht es schwer, emotional wirklich Anteil am Geschehen zu nehmen. Sogar Todesfälle haben mir wenig mehr entlockt als ein Achselzucken.

In manchen Szenen hat mich der Schreibststil nicht überzeugt. So gibt es zum Beispiel ein paar Szenen, in denen sich zwei Charaktere im Dialog detailliert Dinge erzählen, die in der Vergangenheit passiert sind, so dass ich direkt das Gefühl hatte, hier nicht einem natürlichen Gespräch zu lauschen sondern Informationen verfüttert zu bekommen.

Knut entwickelt völlig überraschend eine romantische Bindung zu einer Frau, über die weder der Leser noch er wirklich viel wissen, und ich konnte daher nicht nachvollziehen, wieso ihm diese Frau auf einmal so wichtig war.

Zusammenfassung:
Wer sich für die Arktis interessiert, für den lohnt sich das Buch bestimmt. Für Jemanden, der einfach nur einen spannenden Thriller lesen möchte, ist es meiner Meinung eher keine gute Wahl.

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