Monika Held

 4,3 Sterne bei 126 Bewertungen
Autor*in von Der Schrecken verliert sich vor Ort, Sommerkind und weiteren Büchern.

Lebenslauf

Monika Held ist Schriftstellerin und Journalistin. Ihr Roman Der Schrecken verliert sich vor Ort wurde u.a. ins Englische übersetzt und war für den Dublin Literary Award nominiert. Für ihre Arbeiten und ihr politisches Engagement wurde sie vielfach ausgezeichnet, 2011 erhielt sie die Dankbarkeitsmedaille des Europäischen Zentrums der Solidarnosc. Monika Held lebt in Frankfurt am Main.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Monika Held

Cover des Buches Der Schrecken verliert sich vor Ort (ISBN: 9783847900771)

Der Schrecken verliert sich vor Ort

 (61)
Erschienen am 26.03.2021
Cover des Buches Sommerkind (ISBN: 9783847906261)

Sommerkind

 (38)
Erschienen am 24.04.2017
Cover des Buches Trümmergöre (ISBN: 9783847905707)

Trümmergöre

 (15)
Erschienen am 15.08.2014
Cover des Buches Der Sommer der Puppen (ISBN: 9783746639017)

Der Sommer der Puppen

 (6)
Erschienen am 17.05.2022
Cover des Buches Melodie für einen schönen Mann (ISBN: 9783732504336)

Melodie für einen schönen Mann

 (2)
Erschienen am 12.02.2015
Cover des Buches Generation Plus (ISBN: 9783896024336)

Generation Plus

 (2)
Erschienen am 01.02.2003
Cover des Buches Augenbilder (ISBN: 9783821809342)

Augenbilder

 (0)
Erschienen am 01.10.2003
Cover des Buches Die Generation Plus lebt ihre Zukunft (ISBN: 9783896027559)

Die Generation Plus lebt ihre Zukunft

 (0)
Erschienen am 01.09.2007

Neue Rezensionen zu Monika Held

Cover des Buches Der Schrecken verliert sich vor Ort (ISBN: 9783847905295)
pardens avatar

Rezension zu "Der Schrecken verliert sich vor Ort" von Monika Held

RU - Rückkehr unerwünscht...
pardenvor 6 Monaten

RU - RÜCKKEHR UNERWÜNSCHT...

Als in den 1960er Jahren die Auschwitz-Prozesse stattfinden, reist Heiner Rosseck, Häftlingsnummer 63387, erstmals wieder nach Deutschland, um dort als Zeuge auszusagen. Denn nur dieser Gedanke ließ ihn zwei Jahre in Auschwitz überleben: eines Tages der Welt von den Gräueln berichten zu können. In Frankfurt bricht er im Gericht zusammen. Die junge Dolmetscherin Lena hilft ihm auf und weiß sofort, dass sie diesen Mann festhalten muss. Auf den ersten Blick haben Lena und Heiner nicht viel gemeinsam. Sie träumt von Ferien in der Südsee; er verbringt die Nächte mit den Schrecken von Auschwitz, das für ihn und andere Überlebende eine pervertierte Form von Heimat geworden ist. Die beiden wagen die Liebe. Lena fragt sich, ob sie die Welt, in der ihr Mann zuhause ist, je verstehen wird. Heiner fragt sich, wie er sein Trauma aus Bildern und Geräuschen seiner Frau verständlich machen kann, und ob es eine Grenze gibt, bis zu der man Erfahrungen weitergeben kann. Sollte er sie finden, wird er sie einreißen. (Verlagsbeschreibung)

Heiner wird während des Zweiten Weltkriegs als junger Kommunist in Wien verhafet und im September 1942 nach Ausschwitz deportiert - auf seinem Haftbefehl der Vermerk RU: Rückkehr unerwünscht. Ein klares Todesurteil. Mit ihm werden 1860 Menschen in das Konzentrationslager transportiert - davon überlebten letztendlich nur vier. Heiner war einer davon, nach zwei Jahren in Ausschwitz. Der Gedanke an ein Danach hielt ihn aufrecht, die Möglichkeit, die unfassbaren Gräuel, deren Zeuge er täglich wurde, der Welt präsentieren und die Täter an den Pranger stellen zu können. Doch die Auschwitz-Prozesse deprimieren ihn letztendlich. 


"Das Lager wollte er überleben, um Zeuge zu sein. Er hatte das Lager überlebt - wo war der Sinn? Die Täter waren verurteilt, saßen ihre Strafen ab ohne Reue, ohne Einsicht, ohne Schock über das, was sie getan hatten." (S. 83)


Ein Grund mehr für Heiner, Deutschland endgültig den Rücken zu kehren. Doch trifft er bei den Prozessen auf Lena, die beiden gehen eine Liebe ein, von der nicht klar ist, ob sie die Vergangenheit überleben wird. Lena möchte in der Gegenwart mit Heiner leben, von einer Zukunft träumen. Doch Heiner lebt häufig in der Vergangenheit, kann sie nicht loslassen, will sie nicht loslassen. Gerüche, Geraäusche, Bilder - vieles wirft ihn in Flashbacks zurück, erinnert ihn an Auschwitz, kreiert die Gräuel immer wieder aufs Neue. Aber er selbst hält auch an den Erinnerungen fest, an einem Glas mit Sand zum Beispiel. Doch ist dies kein normaler Sand, wie er nicht müde wird zu erzählen.


"Wenn du in Birkenau vom Frauenlager hinüber gehst zum Krematorium II, dann entdeckst du dort einen schmalen Pfad, nichts Besonderes. Die Menschen achten nicht darauf, sagte er, wenn es unter ihren Füßen knirscht. Kleine Steinchen eben, Kies, Sand. Aber was dort wirklich unter den Füßen knirscht, sind die Reste verbrannter Menschen. (...) Was hier piekst, sind Knöchelchen. Jedes von einem anderen Menschen. Sie liegen dort auf den Wegen, weil sie beim Abtransport vom Lastwagen gerieselt sind. Man hat in Birkenau die Tümpel und Teiche damit aufgefüllt. Der Weg dorthin ist weiß. Du gehst über Tote und merkst es nicht. (...) So ein Knöchelchen hätte ich auch werden können." (S. 43)


Einerseits erlebte ich das Geschriebene als recht distanziert, andererseits gibt es gerade in der fast nüchtern-sachlichen Darstellung immer wieder Szenen, die schockieren und Übelkeit hervorrufen. Die schrecklichen Gräueltaten in Auschwitz natürlich, aber auch die geschilderten Gerichtsverhandlungen, in denen die Überlebenden in der Beweispflicht sind, ihre Glaubwürdigkeit immer wieder hinterfragt wird, sie gleichzeitig erneut die erlittenen Traumata durchleiden, dabei aber demonstrieren müssen, dass sie kein solch psychisches "Wrack" sind, dass man ihnen keinen Glauben schenken kann. Fürchterlich aber auch Heiners Schuldgefühl, überlebt zu haben, während er so viele in den Tod gehen sah. Und dazu die Frage, wie er Liebe empfinden und empfangen kann angesichts der erlittenen Gräuel und der Tatsache, dass er ein Überlebender ist.


"...so hat er Menschen umgebracht. Und vierhundertvierundachtzig Männer haben zugeschaut. Einer war ich, sagt Heiner. - Du hast es aushalten müssen. - Du willst hin springen, du willst ihm den Stock aus der Hand reißen, du willst ihn totschlagen (...), du willst schreien, du willst, du willst, du willst - aber willst du sterben? Willst du nicht. Du bist froh, dass du dort nicht liegst. Sein Tod ist dein Leben. Du starrst durch alles hindurch, rührst keine Hand, siehst alles und singst Eeeerika. Dafür schämst du dich dein ganzes Leben. - Du hast ihn nicht ermordet. - Kein Freispruch, Lena. Ich habe zugelassen, dass es geschieht und zugesehen, wie es geschieht. Meine Schuld ist, dass ich lebe." (S. 172)


Ich finde unglaublich gut herausgearbeitet, wie es Lena und Heiner in ihrer Beziehung und in ihrem Leben geht, immer wieder steht das Miteinander auf dem Prüfstand, weil der eine nicht aus seinen Erinnerungen heraus kommt oder auch nur herauskommen will, die andere die Erinnerungen nicht wirklich teilen kann und es ihr teilweise einfach auch zu viel wird. Bei einem Besuch in Polen bei anderen Überlebenden nehmen Heiner und Lena an heimlichen Untergrundaktionen der Solidarność teil, und dabei erfasst Lena erstmals ansatzweise, wie es ist, Angst und Mut zugleich zu haben, den Spitzeln und Panzern ins Gesicht zu sehen und doch Widerstand zu leisten. Und im Lager von Auschwitz gelingt es Heiner, ihr seine Erinnerungen wirklich ein wenig vor Augen zu führen - Lena sieht Bilder, die sie gleich wieder loswerden will, auch wenn es nicht zwangsläufig Heiners Bilder sind. Aber sie sind unangenehm genug. Lenas Frage - wer kann ich sein an der Seite eines gerade so überlebenden Opfers des Nationalsozialismus - wird wirklich deutlich vor Augen geführt. 


"...aber Lena wusste nach fünf Jahren mit Heiner nicht mehr, wer sie war. Eine gut verdienende Dolmetscherin, eine gefragte Übersetzerin, eine Frau, die Menschen anzog - aber was noch? Ich bin nicht mehr einsfünfundsiebzig groß, sagte sie in der ersten Therapiestunde, noch ein paar Jahre und ich bin ein Zwerg. Ich lache nicht mehr in seiner Nähe, gegen seine Vergangenheit ist meine eine Kette von Banalitäten. (...) Er ist ein Überlebender, während ich nur lebe. Manchmal möchte ich stundenlang über Lippenstifte und Nagellack reden und über Filme, in denen man vor Lachen Bauchweh bekommt - aber irgendetwas bremst mich, wenn er in der Nähe ist. (...) Warum tun Sie das nicht, fragte die Therapeutin. Es ist obszön." (S. 105)


Ein beeindruckendes Buch, das Aspekte beleuchtet, die für mich bisher nicht im Fokus standen, wenn ich etwas über die Gräuel des Nationalsozialismus las. RU - Rückkehr unerwünscht. Und doch überlebt da jemand, der sich im Folgenden fragen muss: wie? Wörter, Geräusche, Gerüche, alles ruft unerwünschte Assoziationen und Erinnerungen hervor, Albträume gibt es fast in jeder Nacht, wirklich verstanden fühlt man sich nur von anderen Überlebenden, die Rückkehr nach Auschwitz ist wie ein Nachhausekommen. Und wie kann sich im Leben danach eine Beziehung gestalten, welche Chance hat eine Liebe, wenn immer nur die eine Lebensgeschichte zählt? Das Erinnern als Pflicht, als Last, als Vermächtnis. Das Glas mit dem besonderen Sand als Mahnmal - und ein Stück Heimat. Gegenwart und Erinnerung - beides muss möglich sein, so vermittelt es das Buch. Hilfreich ist dabei offenbar auch ein oftmals makabrer Humor, was mir gut gefallen hat. 

Schließen möchte ich mit einem Zitat aus dem Nachwort von Margarete Mitscherlich:


"Was geschehen ist, ist geschehen, ausgeübt von einem Kulturvolk. Und dass es geschehen ist, bedeutet, dass es wieder geschehen kann. Menschen, und zwar kultivierte, kluge Menschen, sind zu Taten fähig, die wir ihnen nicht zugetraut haben. Und wo es irgendein Anzeichen, einen Hauch davon wieder geben könnte, müssen wir eingreifen. Unsere gottverdammte Pflicht nach Auschwitz ist, das niemals zu vergessen. Es bleibt ein ewiges Thema. Ich glaube nicht, dass wir aufhören sollten, uns damit zu beschäftigen." (S. 271) 


Wie wahr!


© Parden

Cover des Buches Der Schrecken verliert sich vor Ort (ISBN: 9783404176267)
herr_hygges avatar

Rezension zu "Der Schrecken verliert sich vor Ort" von Monika Held

Der Schrecken verliert sich vor Ort
herr_hyggevor einem Jahr

In „Der Schrecken verliert sich vor Ort“ erzählt Monika Held die Geschichte von Lena und Heiner, sie ist Dolmetscherin und Übersetzerin, er hat Auschwitz überlebt. Die beiden begegnen sich bei Gericht, wo Heiner als Zeuge gegen die Mörder von Auschwitz aussagen soll. Sie verlieben sich und heiraten. Doch Lena merkt schnell, dass sie erst lernen muss mit dem gebrochenen Mann um zu gehen, der nicht ablassen kann von dem Erlebten.

Aufmerksam wurde ich auf diesen Roman als Ich „Meine wundervolle Buchhandlung“ von @petrahartlieb las. Schnell landete des auf meinem Lesestapel. Als @the_zuckergoscherl es vor einiger Zeit in ihrem Feed vorgestellt hat, rückte es gedanklich etwas vor, aber die Zeit war doch noch nicht so richtig reif, bis jetzt.

Es geht um einen Überlebenden, jemanden der durch die Hölle gegangen ist und versucht wieder Fuß zu fassen, während ihn die Zeit im Lager nicht los lässt. Es geht um gestörte Existenzen, die sich Normalität wünschen, diese aber nicht finden, oder zulassen können. Es geht um eine Episode der Weltgeschichte, welche wir niemals vergessen dürfen, allein aus dem Grund, dass so etwas nie wieder passieren darf!

Ein hartes Buch, ein sehr gutes Buch, das man sicher erst einmal sacken lassen muss, dass aber mehr als nur lesenswert ist!

Cover des Buches Der Schrecken verliert sich vor Ort (ISBN: 9783847900771)
Ana80s avatar

Rezension zu "Der Schrecken verliert sich vor Ort" von Monika Held

Davor, dort, danach
Ana80vor 2 Jahren

Das Buch erzählt die Geschichten von Heiner, die seines Lebens vor Auschwitz, seines Lebens dort und des Lebens danach. Berichtet wird aus Lenas Sicht, der Frau, die Heiner bei einem der Prozesse kennen lernt, als er auf dem Gerichtsflur zusammensackt. Eine deutsche Frau, die Heiner eigentlich nicht lieben kann, in einem Land, in dem Heiner nichts als Schrecken empfindet. Berichtet wird von den Erfahrungen Heiners, Erfahrungen die man eigentlich nicht weitergeben kann, Empfindungen die sein gesamtes Leben danach und alle Menschen die ihn umgeben beeinflussen… 

Dies ist keine seichte Lektüre, was sich natürlich schon durch die Thematik allein erklärt und doch bin ich froh auch dieses Buch gelesen zu haben. Es war für mich erschreckend und gleichzeitig unglaublich nachvollziehbar, wie sehr die Gefangenschaft in Auschwitz das gesamte Leben der Menschen die Auschwitz überlebt haben, beeinflusst. Das Lesen des Buchs gleicht einer emotionalen Achterbahnfahrt bei der natürlich Wut, Schrecken und Trauer oft im Vordergrund stehen, aber auch Rührung und Überraschung dabei sind. Beeindruckt war ich von der dargestellten Liebe der Beiden, die immer wieder vor harte Proben gestellt wird. Monika Held schreibt sehr ausdrucksstark und einfühlend über Dinge die sich eigentlich nicht ausdrücken lassen. 

Ein Buch gegen das Vergessen, was ich unbedingt weiterempfehlen und welches in mir noch lange nachhallen wird. 

Gespräche aus der Community

Die literarische Runde 2020 liest im Juni "Der Schrecken verliert sich vor Ort". Start ist der 1.6., jeder kann mit seinem eigenen Exemplar mitmachen, wir freuen uns sehr über alle Teilnehmer. :)

246 Beiträge
renees avatar
Letzter Beitrag von  reneevor 4 Jahren

Ich finde es schön, dass ihr dieses Buch gemeinsam gelesen habt. Gemeinsam lesen kann echt hilfreich sein. Liebe Grüße! 💕

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