Monika Niehaus-Osterloh

 3,8 Sterne bei 9 Bewertungen
Autor*in von Spiel des Affen.

Lebenslauf

Monika Niehaus-Osterloh, Diplom in Biologie, Promotion in Neuro- und Sinnesphysiologie, ist freiberuflich als Autorin, Journalistin und naturwissenschaftliche Übersetzerin (englisch/französisch) tätig. 2021 wurde sie mit dem Martin-Wieland-Übersetzerpreises ausgezeichnet.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Monika Niehaus-Osterloh

Neue Rezensionen zu Monika Niehaus-Osterloh

Cover des Buches Mehr als nur Atome (ISBN: 9783827501660)
D

Rezension zu "Mehr als nur Atome" von Sabine Hossenfelder

Dr_Bernhard_Wessling
"Mehr als nur Atome" - zu viele fragliche und z.T. sogar falsche Darlegungen

Das Buch von Frau Dr. Hossenfelder ist, wie auch ihre sonstigen zahlreichen populärwissenschaftlichen Beiträge, kontrovers angelegt und soll vermutlich zur Diskussion anregen. Dazu möchte ich gern beitragen und ebenfalls zur Diskussion anregen, denn einige ihrer zentralen Thesen sind zumindest fragwürdig, wenn nicht sogar regelrecht falsch, z. B.:


1) Ihre Diskussion der Entropie am Beispiel "Kuchenteig" (S. 86 ff) ist definitiv falsch. Denn während der Zucker molekular gelöst wird und tatsächlich statistisch gleichförmig verteilt ist, liegen im Teig keine Mehl-"Moleküle" vor (wie sie schreibt), sondern es sind feine Teilchen, und diese sind keineswegs gleichmäßig verteilt, sondern bilden komplexe Strukturen. Der Kuchenteig weist im Gegensatz zu dem von ihr behaupteten Zustand höchster Unordnung = maximaler Entropie eine ziemlich komplexe Struktur und somit vergleichsweise niedrige Entropie auf.


2) Es heißt auf S. 122 (und wird danach weiter ausgeführt), dass die tiefste Ebene der Organisation der Materie „bestimmt“, was auf den höheren Ebenen geschieht. Das ist nicht korrekt, denn

a) die umweltbedingte Quanten-Dekohärenz (H. D. Zeh und Serge Haroche) verhindert, dass sich die Gesetzmäßigkeiten der Quanten auch in Atomen, Molekülen und der nachfolgenden Komplexität unserer Welt wiederfinden lassen;

b) es wird ignoriert, dass sich auf allen höheren Ebenen jeweils neue Phänomene herausbilden, die neu entstehenden Gesetzmäßigkeiten folgen (Emergenz).

Das lässt sich an vielen Beispielen nachweisen.


3) Es ist nicht möglich, Information, die aufgrund der Verteilung von Molekülen und Atomen der vorherigen Informationsträger verloren gegangen ist, zu rekonstruieren. Die Informationen, die die (Zitate Sabine Hossenfelder) "verstorbene Großmutter" ausmachten, sind keineswegs mittels eines "Supercomputers, der jeden Zustand jedes einzelnen Atoms bis zum Anbeginn der Zeit zurückrechnen" könne, wieder rekonstruierbar. Die Entropie verhindert dies.


4) In Kapitel 7 beklagt sie, es gebe bisher keine Theorie, die die Komplexität in unserer Welt erklären könne. Also die komplexen Strukturen, die wir überall finden, in Pflanzen, Ökosystemen, in menschlichen und auch den tierischen Gesellschaften, der Wirtschaft und sogar auch der Galaxien im Universum. Das stimmt ganz einfach nicht, denn es gibt schon lange die sog. „Nicht-Gleichgewichts-Thermodynamik“, für deren Entwicklung Ilya Prigogine 1977 den Nobelpreis erhielt (die ich hier in der Kürze natürlich nicht darlegen kann).


Das Buch zeigt lediglich auf, dass allzuviele Physikerinnen und Physiker immer noch dem Glauben anhängen, es könne die gesamte Welt "bald" mit einer einzigen fundamentalen Theorie komplett erklärt werden. Das wird nicht möglich sein, wie ich oben angedeutet habe. Eine große Schwäche des Buches ist es, auf gegensätzliche Positionen und auf experimentelle Befunde, die ihre Ansicht nicht stützen, überhaupt nicht eingegangen zu sein. Das, so hoffe ich, kann in einer breiten öffentlichen Diskussion nachgeholt werden, wenn sich die Autorin dieser Diskussion stellt.

Wie es ist, ein Vogel zu sein...

Längst ist es unserer Generation in Fleisch und Blut übergegangen, dass ein Greifvogel eben über „Adleraugen“ verfügt und dass ein Geier Aas über große Distanzen riechen kann. Wir haben uns mit dem Wissen angefreundet, dass Vögel über die Wahrnehmung des Magnetfeldes und ultravioletten Lichts verfügen.
Doch es gab etliche Jahrhunderte lang sehr unterschiedliche und kontroverse Vorstellungen über die Sinneswahrnehmungen von Vögeln. Der Wissenschaftshistoriker und Ornithologe Tim Birkhead nimmt den Leser in diesem Buch nicht nur mit in die Welt der Sinne von Vögeln, er umreißt auch auf umfassende und doch kurzweilige Weise die letzten dreihundert Jahre des Forschens und Experimentierens auf diesem Gebiet.
Der Inhalt

Tim Birkheads Buch rangiert in einer Domäne jenseits populärwissenschaftlicher Literatur, wie sie uns in den letzten Jahren vermehrt erreicht hat, auch wenn das fachkundigere Leser möglicherweise anders empfinden.

Ich habe in diesem Buch versucht, die Resultate der wissenschaftlichen Artikel, die sich auf Vogelsinne beziehen, in Alltagssprache zu übersetzen. Dabei habe ich jede Fachsprache so weit möglich vermieden, doch wo sie unabdingbar ist, habe ich versucht, den Begriff kurz zu erläutern, und für diejenigen, die es gern etwas genauer wissen möchten, ein Glossar angehängt.

(S.XVII, Vorwort)

Aber das Buch verliert dadurch keineswegs an Niveau. Im Gegenteil:
Tim Birkhead erspart dem Leser zum Beispiel nicht die Beschreibungen von Experimenten am lebenden Objekt. Wissenschaftliche Forschung ist nicht unbedingt etwas für Zartbesaitete. Nach den Schilderungen des italienischen Naturkundlers Lazzaro Spallanzani, der im 18. Jahrhundert lebte und herausfand, dass Fledermäuse sich anhand ihres Gehörsinns orientierten, weil er ihnen mit einer Schere die Augäpfel entfernt hatte, legte auch ich dann eine einstweilige Lesepause ein. Es gibt einige solche Passagen, die makaber und brutal erscheinen und als nicht-wissenschaftlicher Leser tut man sich vielleicht schwer anzuerkennen, dass auch derartige Experimente zum heutigen Forschungsstand beitrugen.

Deutlich wird noch etwas anderes, während Birkhead den Leser durch etliche Epochen Vogelforschung führt: den Vogelforscher, den Ornithologen, gibt es eigentlich nicht. Viele der beteiligten Wissenschaftler waren Anatomen, Mediziner, Physiker, Meteorologen, Naturhistoriker, sogar Maler oder eben Geistliche, und auch die Beobachtungen von Bauern, Fischern oder Arbeitern halfen letztlich, auf die richtige Spur zu kommen.
Waren es anfangs zunächst die Anatomen, die sich mit dem Aufbau von Sinnesorganen beschäftigten, um so etwas über deren Funktionsspektrum zu erfahren, gab es später die Verhaltensforschung, die oft experimentierte und mitunter zu gänzlich anderen Schlussfolgerungen kam. Durchgesetzt hat sich nicht selten die Ansicht des renommierteren Forschers, egal wie sie aussah. Währenddessen schien viel Zeit bei der Debatte zu vergehen, ob Vögel überhaupt über Sinne verfügten oder nicht.

Die Fülle der Informationen kann kein Mensch im Kopf behalten, zu komplex ist die Materie. Vielmehr gerät der Leser auf seiner Reise ein ums andere Mal ins Staunen, über die Vögel und ihre Fähigkeiten, aber auch über die Forscher, die Birkhead porträtiert. Und nicht zuletzt staunt man darüber, dass selbst ein so prall mit Erkenntnissen gefülltes Buch, scheinbar noch immer an der Oberfläche dessen kratzt, was die Sinneswelt von Vögeln ausmacht. Fakt ist auch, dass dieses Buch nicht möglich wäre, ohne sehr viel fleißige Recherchen und jahrzehntelange Erfahrungen. Und zwischen den Zeilen findet sich noch etwas anderes, das dem Buch sehr gut tut: Tim Birkheads (britischer) Humor. Mit trockenem Witz beschreibt er die zum Teil skurrilen Ideen der Wissenschaftler seinerzeit, die einem eigentlich die Tränen in die Augen treiben könnten, aber dann muss man über Birkheads Erzählweise doch schmunzelnd den Kopf schütteln.
Der Autor

Tim Birkhead ist seit 1976 Professor für Verhalten und Evolution an der Universität in Sheffield und einer der bekanntesten britischen Ornithologen unserer Zeit. Zu seinen Schwerpunkten zählen die Reproduktionsbiologie, insbesondere der Aspekt der Promiskuität bei Vögeln, sowie seine Studien zu den Trottellummen auf Skomer Island (Wales), welche er seit Beginn seines Studiums 1972 betreibt und die er in sein Buch mit einfließen lässt.

Fazit

Persönlich gefällt mir sehr, was Tim Birkhead in seinem Buch mitschwingen lässt. Nicht als erhobenen Zeigefinger, sondern vielmehr als leisen Unterton. Es ist die Erkenntnis, dass der Mensch bei Weitem nicht so viel weiß, wie er meint. Mehr als es die Jahrhunderte alte, christlich verbrämte Haltung vom Menschen als Maß aller Dinge es je vermochte, liegt im unvoreingenommenen Betrachten der Schlüssel für Verständnis.
Tim Birkhead ermutigt sehr zu dieser Einstellung in der Forschung, genau wie zur Forschung selbst.
Während der Lektüre begreift man unsere gefiederten Nachbarn immer mehr als hochspezialisierte, perfekt angepasste Organismen, deren erstaunliche Fähigkeiten auf ihren beeindruckend gebauten Sinnesorganen beruhen. Das macht sie zu dem, was sie sind und was sie von uns unterscheidet: zu Vögeln.

Eine ausführliche Rezension mit zusätzlichen Informationen findest du unter: https://treibholzinsel.de/2019/02/28/die-sinne-der-voegel/

Cover des Buches Eine kurze Geschichte des Fortschritts (ISBN: 9783498073565)

Rezension zu "Eine kurze Geschichte des Fortschritts" von Ronald Wright

Ein LovelyBooks-Nutzer
Rezension zu "Eine kurze Geschichte des Fortschritts" von Ronald Wright

Klasse geschriebenes Sachbuch mit interessanten Fakten und Überlegungen!

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