Cover des Buches Der Boss (ISBN: 9783462043877)
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Rezension zu Der Boss von Moritz Netenjakob

Der Boss

von Luc vor 10 Jahren

Rezension

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Lucvor 10 Jahren
Inhalt:

Daniel und Aylin wollen heiraten. Er, ein dauerreflektierender deutscher Sprücheklopfer, den sein Hobby in die Werbebranche geführt hat. Sie, eine smarte junge Türkin, die ihren Daniel in die Geheimnisse osmanischen Brauchtums unterweisen will. Im Reisebüro von umtriebigen bald-Schwager Kenan gerät selbst die Suche nach dem passenden Urlaubsort zu einer Odyssee über den Globus. Soll er sich für die Malediven entscheiden? Die Seychellen? Wie immer weiß Daniel das nicht so genau. Blöd, dass Aylin ihn auffordert die Entscheidung zu treffen, nicht nur der Reise wegen, sondern von nun an, für alles, für immer, unumstößlich und Beratungsresistent, wie die Männer in Anatolien eben so sind, soll er der Boss sein. Ausgerechnet Daniel. Er muss in die Rolle des Familienoberhauptes schlüpfen, wird ihm plötzlich bewusst. Wie zum Teufel macht man dass, wo Daheim noch die Barbapapa Poster an der Wand hängen? Ganz und gar aus den Fugen gerät sein Leben, als er einen neuen Job, in seiner alten Werbefirma annehmen soll. Dieses Mal, als Chef. Währenddessen zieht Aylins fundamentalistischer Onkel Abdullah zu ihm in die Wohnung und will ihn auf seine Gottesfürchtigkeit überprüfen. Das Aufeinandertreffen der Kulturen forcieren Daniels toleranzgestählten Eltern, zwei Alt-Achtunsechziger, die in ihrer intellektuellen Abgehobenheit nur noch von dem befreundeten Theaterregisseur Dimiter Zilnik- übrigens eine herrliche Heiner Müller Figur und dessen weinerliche, komplett merkbefreite Nacktmuse Ingeborg Trutz übertroffen werden. Der Weg bis zur tausendköpfigen Hochzeitsfeier in Leverkusen ist weit. Es gilt emotionale Tiefschläge wegzustecken, wilde Autofahrten zu überleben und sexuellen Entzug zu verkraften. Außerdem soll Daniel einem völlig untalentierten dickbäuchigen Brauereierben, den Weg in Deutschlands Starhimmel ebnen. Sonst ist es aus mit den fetten Aufträgen, des Herrn Papa und der Karriere.

Meinung:

Moritz Netenjakobs Schreibstil erinnert an Tommy Jaud. Ein wahres Gagfeuerwerk wird aneinandergereiht. Zwei Kulturen prallen aufeinander, deren Protagonisten die denkbar gegensätzlichste Haltung zum Leben einnehmen. Wie Onkel Abdullah zu Daniel. Aylins bodenständige Eltern, zu Daniels abgedrehten Bildungsbürgereltern, die partout nicht spießig sein wollen. In Wahrheit jedoch Fundamentalisten der Aufklärung sind und als solche spießiger kaum sein können. Der ein oder andere Lachanfall war bei dem Roman unvermeidlich. Das Ding sprüht nur so von Witz. Einzig die Braut hätte etwas schärfer gezeichnet werden können. Ansonsten spielt Netenjakob gekonnt mit den Klischees und Eigenheiten auf beiden Seiten. Selbst dramaturgisch ist ihm eine feine Leistung zu attestieren, was bei Romanen dieses Genres eher selten ist.
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