Cover des Buches Deutschboden (ISBN: 9783596191390)
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Rezension zu Deutschboden von Moritz von Uslar

Molle Royal

von Eiseisbaby vor 10 Jahren

Rezension

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Eiseisbabyvor 10 Jahren

Letztes Jahr fuhr ich mit einem guten Freund seit Urzeiten mal wieder raus, aufs platte Land vor Berlin. Wir wollten uns ein ehemaliges Kasernengelände der Sowjetarmee anschauen, verirrten uns zwischen Ameisenhügeln, aßen unsere mitgebrachte Stullen zwischen bröckelndem Mauerwerk und verwilderter Natur und hatten am Nachmittag vor lauter großartiger Herummarschiererei in der riesigen, öden, von rostigen Baggern, Fäulnis und Termiten bedrohten Vergangenheit trotzdem so viel Hunger, dass wir beschlossen, ein echtes Abenteuer zu wagen: nämlich irgendwo da, im Brandenburgischen einzukehren, ohne Plan, mit der Naivität typischer Westjungs. Wir folgten spontan einem Straßenschild mit der Aufschrift „Landgasthof“, das uns irgendwie immer weiter in den Wald führte. Die Straßen waren bald so schlecht, dass wir nur noch Tempo 10 fahren konnten. Eine halbe Stunde lang Tempo 10. Mit knurrenden Mägen und der (wie sich später herausstellte) vollkommen unberechtigten Hoffnung auf ein deftiges Ostgericht. Dort, auf dieser wüsten Kopfsteinpflasterstraße stand auf einmal ein Schild mit der Aufschrift „Deutschboden 1KM“. Mein Kumpel freute sich wie Bolle über dieses Schild, denn er war immer der Meinung gewesen, das dieser Ort eine geile Erfindung von Moritz von Uslar sei. Toll, sagt er zu mir immer wieder: dieses Deutschboden gibt es wirklich, Wahnsinn. Wir bogen aber nicht dorthin ab. Wir fanden auch keinen Landgasthof. Wir verschlangen stattdessen eine Rostbratwurst mit Bier im ElDorado, einer Westernstadt mit angeschlossener Mini-Quad-Bahn und einem angeblich echten Plattfuß Indianer, der uns ein paar Worte in seiner Muttersprache beibrachte. Zurück, vollkommen erschöpft und verwirrt, beschloss ich dieses Buch von Uslar zu lesen, auch wenn ich seine Art Interviews mit Prominenten zu führen und immer irgendwie SAUCOOL drauf sein zu müssen vollkommen UEBER hatte. Nun, über ein Jahr danach, habe ich es endlich getan. Was soll ich sagen. Es ist eine der besten Entscheidungen gewesen, die ich seit langem getroffen habe. Dieses Buch, das Moritz kluger Weise im Beisatz eine „teilnehmende Beobachtung“ nennt, ist eine so gut gemachte, lustige, traurige, verdammt schöne und vielleicht auch irgendwie manchmal erfundene Reportage, ein geniales Stück OST-GONZO. Es sollte Pflichtlektüre an allen Schulen Deutschlands werden, soviel Lehrreiches (aber nicht Lehrhaftes) und so viel Wahrhaftiges und Zartheit ist darin, dass man von Uslar am Ende drücken und ihm den Hut geraderücken und mit nach Schröders rübergehen möchte. Ein Molle trinken. Mit Blocki, Raoul, Rampa und den anderen, die Deutschboden so lieben, ohne es jemals besucht zu haben. Scheinwerferaus. Faustballen. LESEN.

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