Cover des Buches Jetzt (ISBN: 9783551311290)
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Rezension zu Jetzt von Morris Gleitzman

Rezension zu "Jetzt" von Morris Gleitzman

von R-E-R vor 12 Jahren

Rezension

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R-E-Rvor 12 Jahren
“Jetzt” ist der dritte Band einer Buchreihe von Morris Gleitzman, die er “Felix” gewidmet hat, dem mittlerweile achtzigjährigen Großvater von Zelda, der Ich-Erzählerin des Romans. In den Vorgängerbänden “Einmal” und “Dann” kämpft der “zehnjährige Felix 1942 im von den Nazis besetzten Polen ums Überleben“. Jetzt kämpft der alte Mann nur noch mit seinen Erinnerungen. Mit dem Gefühl der Schuld, weil er seine damalige Freundin (ebenfalls Zelda genannt) nicht retten konnte. Schuldgefühle hat auch seine Enkelin, die glaubt mit einem unbedachten Picknick im Wald, einen verheerenden Buschbrand ausgelöst zu haben. Der Roman beginnt mit einem Paukenschlag. Zelda, die bei ihrem Großvater im australischen Busch untergebracht ist, während ihre Eltern als Ärzte ohne Grenzen in Afrika arbeiten, wird gemobbt: “Erwachsene Leute gehen vorbei, aber sie werfen nicht mal einen Blick auf uns. Begreifen, die denn nicht, dass das kein geselliges Beisammensein ist, wenn drei Neuntklässlerinnen so dicht vor einer Sechstklässlerin stehen?” Die "Mobbing Tussen" haben es wegen eines "einfachen Fehlers" auf das Mädchen abgesehen. Zelda hatte erwähnt, dass ihr Großvater einst ein "grandioser Chirurg" war. Die großen Mädchen quälen sie verbal, reißen ihr schließlich ein wertvolles Medaillon vom Hals und stopfen es einer toten Maus ins Maul. Morris Gleitzman geht es jedoch um mehr als Mobbing unter Schülern. Er widmet das Buch im Vorspann allen Kindern die “nie die Chance hatten, ihr Bestes zu geben”. Das “Beste geben” bedeutete für den Großvater sein Beruf als Chirurg und die vielen Menschen denen er dadurch helfen konnte. Versagt hat er, als er seine Freundin Zelda nicht retten konnte. Eine Schuld die noch immer an ihm nagt. Zelda, seine Enkelin findet, dass sie noch nie die Gelegenheit hatte ihr “Bestes zu geben”. Als sie es bei einem Picknick zum Geburtstag des Großvaters versucht, löst ihr Leichtsinn beinahe eine Katastrophe aus. Die Handlung läuft auf Heilung von Schuld mit einem Feuer als reinigende und stärkende Kraft hinaus. Gleitzman wählt hierzu das große Buschfeuer von Victoria aus dem Jahr 2009, das seither als die größte Brandkatastrophe Australiens gilt. Unter Lebensgefahr zeigt der Großvater einmal mehr und die Enkelin “erstmalig” was in ihnen steckt. Hier birgt der Roman für mich seinen grundsätzlichen Fehler. Zelda ist an sich schon keine Figur mit der man sich leicht identifiziert. Ihr Einfühlungsvermögen ist ausgeprägt und sehr denkorientiert. Sie redet und urteilt wie ein Psychologe, aber nicht wie ein elfjähriges Mädchen. Die Ausdrucksweise die Gleitzman ihr in den Mund legt ist entweder extrem gewählt: “Mein ganzes kardiovaskuläres System tut plötzlich weh” oder betont naiv: “Oh. Oh nein.“ Als Zelda während des Feuers unter Anleitung ihres Großvaters bei archaischen Bedingungen eine Not OP an ihrem Klassenkameraden durchführt, überspannt der Autor meines Erachtens aber den Bogen. Ein Kind durch einen gefährlichen chirurgischen Eingriff beweisen zu lassen, zu was es fähig ist, fand ich in dieser Weise dargestellt völlig unangemessen und, schriftstellerische Freiheit hin oder her, sehr fragwürdig. Hier wird “das Beste geben” in fataler Weise falsch vermittelt. Wenn man Kindern die schlimme Vergangenheit unter den Nazis verständlich machen will, scheinen mir Bücher wie “Als Hitler das rosa Kaninchen stahl” von Judith Kerr (ab 12 Jahre), “Damals war es Friedrich” von Hans Peter Friedrich (ab 12 Jahre) oder “Der Junge im gestreiften Pyjama” von John Boyne (ab 12 Jahre) geeigneter. Die Vermischung der Handlung zur Spannungssteigerung mit Themen wie Mobbing, von Eltern verlassene Kinder und dem Trauma des Ausgeliefertsein an Naturgewalten, empfand ich zudem als zuviel höchst problematischen Inhalt für ein zweihundert Seiten starkes Kinderbuch, das noch dazu bereits ab elf Jahren empfohlen wird.
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