Mutlu Ergün, heute Ergün-Hamaz, hat mir mein Buch 2018 geliefert – eigentlich eine Schande, denn „Kara Günlük“ erschien bereits 2010. Aufgrund einer Empfehlung auf Twitter (@problematash) hatte ich mir den Roman zu Herzen genommen und bin unendlich davon angetan. Es hat so gut getan ihn zu lesen.
Wie der Titel es schon beschreibt, ist der Roman in Tagebuchform gehalten, in dem der Student mit Decknamen „der Sesperado“ seine Gedanken festhält. Es scheint, als schreibe er einfach von Freundschaft, Familie, sich verlieben und seinen Platz in der Welt finden. Dabei beschäftigt ihn noch viel mehr. In Deutschland geboren wird er, wie sein direktes Umfeld auch, nicht als Deutscher oder zugehörig anerkannt, sondern wird als Nachkomme türkischer Eltern immer wieder mit „seiner Herkunft“, „sein Anderssein“ und „seiner Kultur“ konfrontiert und belächelt. So geht es ausnahmslos allen People of Color, und Ergün nutzt seinen Roman, um uns Nicht-Betroffene mit etwas Ironie den Spiegel vorzuhalten.
„Der Sesperado“ jedenfalls macht Freunde und Familie mobil und forciert eine Revolution an, welche die People of Color aus der Defensiv-Haltung herausholen und empoweren soll. Keine Sorge – hier ist keine Gewalt im Spiel. Mit viel Cleverness, Charme und ehrlichen Worten hat Ergün in diesem leicht zugänglichen Roman die Problematik des strukturellen Rassismus verpackt. Es ist also nicht von auffälligen Nazis oder roher Gewalt die Rede, sondern z. B. die stete Frage nach Herkunft, die Stigmatisierung und die alltägliche Sprache, mit der wir auch ungewollt People of Color herabwürdigen.
Leseempfehlung kann ich quasi All Age aussprechen und an alle, die verstehen wollen und die dabei vielleicht eher eine Romankulisse suchen, als ebenfalls gut zugängliche Sachbücher wie „Exit Racism“ und „Deutschland schwarz weiß“ (welche als Ergänzung trotzdem empfehlenswert sind). Ich denke jedoch, sehr konventionelle bis rechts-positionierte Leser*innen wird man hiermit nicht überzeugen können ihre Standpunkte, ihr Verhalten und ihren Sprachgebrauch zu überdenken – proof me wrong.