Rezension zu "Heiter bis wolkig" von Myrthe Van der Meer
‚Viele Dinge in der Psychiatrie sind erniedrigend. Eingewiesen zu werden ist eins davon. Einen Psychiater zu haben bringt auch nicht gerade viele Punkte ein. Mit deinem Lebensgefährten zu deinem Psychiater zu gehen, um eingewiesen zu werden, ist wahrscheinlich der Inbegriff der Erniedrigung.‘ (Seite 20)
Myrthe van der Meer ist eigentlich auf dem Weg zum Abschlussgespräch mit ihrer Psychiaterin, wird von einem Vertretungsarzt jedoch kurzerhand auf Station eingewiesen, da sie Medikamente gebunkert und auf ganz rationale Art ihren Suizid geplant hat. Sie war in den letzten zwei Jahren fünf Monate in der Psychiatrie und mehrere Monate in der Tagesklinik, hat verstanden, dass ihre Depression immer wieder kommen wird, und möchte so nicht weiterleben.
Während ihres erneuten Aufenthalts in der Psychiatrie wird Myrthe schließlich wahnhaft und halluziniert bzw. gesteht sich, ihren Behandlern und ihrem persönlichen Umfeld ein, dass sie dies eigentlich schon seit Jahren tut und erlebt. Neben ihrer Asperger-Diagnose bekommt sie letztendlich die Diagnose einer Bipolar-Störung und muss sich erst einmal daran gewöhnen, was dies für sie und ihr weiteres Leben bedeutet.
‚Heiter bis wolkig‘ ist ein Psychiatrie-Roman, aber er liest sich meiner Meinung nach eher wie ein Tatsachenbericht und nicht wie ein Roman. Das mag auch daran liegen, dass die unter dem Pseudonym ‚Myrthe van der Meer‘ schreibende Autorin tatsächlich von ihren eigenen Erfahrungen in der Psychiatrie und mit ihrer Diagnose erzählt, wobei sie sich allerdings eine gewisse künstlerische Freiheit erlaubt und Ereignisse, die sich zu unterschiedlichen Zeiten und an verschiedenen Orten zugetragen haben, für ihren Psychiatrie-Roman an einen einzigen Ort versetzt.
Mir fiel der Einstieg ins Buch etwas schwerer, als ich das bislang von Büchern aus dem Psychiatrie Verlag gewohnt war. Dies liegt vielleicht auch daran, dass ich bisher kaum professionelle Erfahrung mit den Diagnosen Asperger-Syndrom und Bipolar-Störung habe. Auch der Fakt, dass das Buch als Roman erschien, aber wie ein Tatsachenbericht wirkt, hat mir den Zugang etwas schwieriger gemacht, weil ich vor allem anfangs unsicher war, was nun Dichtung und was Wahrheit ist. Insgesamt fand ich das Buch aber gelungen und zudem unterhaltsam lesbar, und es bietet in meinen Augen sehr gute Einblicke in den Alltag und in die Dynamik in der Psychiatrie.
Auch psychopathologisch kann man hier einiges lernen, z.B. über die Symptome der behandelten Störungen und die Differenzialdiagnosen, aber auch über die medikamentöse Therapie. Zu guter Letzt bietet das Buch auch Denkanstöße und ist bisweilen regelrecht philosophisch und weise, so dass ich es gerne empfehle.