Cover des Buches Die Goldene Legende (ISBN: 9783421047557)
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Rezension zu Die Goldene Legende von Nadeem Aslam

Eine liebevoll erzählte, tragische Geschichte - sehr lesenswert!

von ricysreadingcorner vor 7 Jahren

Kurzmeinung: Es ist unglaublich, wie man eine so brutale Geschichte, so wunderschön und liebevoll erzählen kann. Nadeem Aslam hat es geschafft!

Rezension

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ricysreadingcornervor 7 Jahren

„Die goldene Legende“ zeigt meiner Meinung nach sehr emotional und und unglaublich liebevoll beschrieben, was religiöser Fanatismus aus einem eigentlich sehr schönen Land, in diesem Fall Pakistan, machen kann.

Wir begleiten vor allem die Charaktere Nargis, Helen und Imran.
Nargis hat gerade ihren Mann Massud verloren, der versehentlich in einen Schusswechsel auf offener Straße geriet. Helen ist die Tochter des christlichen Rikscha-Fahrers Lily, der früher im Haus von Nargis und Massud als Dienstbote tätig war und weiterhin im Nachbarhaus wohnt. Für sie war Helen immer fast wie eine eigene Tochter und so finanzierten sie sogar ihre Ausbildung, die sie sonst als Christin in Pakistan wahrscheinlich nicht erfahren hätte.
Imran kommt ursprünglich aus Kaschmir, nachdem seine Mutter und die anderen Verwandten von indischen Soldaten zum „Verhör“ mitgenommen wurden und nicht mehr wiederkamen, beschließt er, sich in einem Islamisten-Lager ausbilden zu lassen, flieht dort jedoch als er merkt um was es wirklich geht und schlägt sich seitdem in Zamana als Obdachloser durch. Wie es der Zufall will, ist er derjenige, der Massud noch am Unglücksort, wenn auch vergebens, Blut spendet. Als er später Nargis aufsucht, freunden sie sich an und es wird schnell klar, dass sich zwischen ihm und Helen noch mehr entwickeln wird.
Als eines Tages der Muezzin die geheime Liebschaft von Lily und Aysha, der verwitweten Tochter des Geistlichen, vom Minarett herausposaunt, ist plötzlich kein Christ, oder jemand der sich auf ihre Seite stellt, mehr sicher. Mit Imrans Hilfe gelingt Nargis und Helen die Flucht. Doch das war nicht das einzige Geheimnis, das ihnen zum Verhängnis werden kann.

Es ist eine unglaublich tragische, traurige und oftmals brutale Geschichte. Doch der Autor schafft es dennoch immer wieder in kleinen Rückblenden, Referenzen zu anderen Geschichten und Legenden oder einfach der liebevollen Beschreibung von Details, die Schönheit der Landschaft und des Lebens im Allgemeinen darzustellen.
Obwohl alle Figuren Schreckliches erlebt haben unter der täglichen Unterdrückung oder dem religiösen Fanatismus im Land leiden, haben sie dennoch auch so viel erlebt, an das sie sich gerne erinnern oder sie erleben jetzt Dinge, die das Leben trotz allem lebenswert machen. Dem Leser ermöglicht dies ein sehr intimer Blick in die Zerrissenheit eines Landes und seiner Bewohner.

Der Schreibstil, war für mich zuerst etwas gewöhnungsbedürftig, weshalb ich etwas brauchte, um in die Geschichte hineinzukommen. Doch als ich mich einmal daran gewöhnt hatte, fing ich an diesen zu lieben. Er ist unglaublich bildhaft, oft verliert sich der Autor in den Beschreibung von Details, doch diese haben immer irgendeine wichtige Aussage, tragen zur Aussage des Gesamten bei oder helfen, die Charaktere besser zu verstehen und authentischer zu machen.

Der Wechsel der Erzählperspektive zwischen den verschiedenen Charakteren hat mir gut gefallen, da man das Geschehen so aus verschiedenen Positionen wahrnimmt, was meiner Meinung nach bei einer Geschichte, die die Zerrissenheit eines Landes zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen zum Thema hat, sehr wichtig ist, um kein einseitiges Bild zu erschaffen.
Schwierig fand ich jedoch, dass innerhalb der Passagen, die aus der Sicht eines Charakters erzählt werden, wiederum häufig Zeitsprünge passieren, da sie sich an etwas Vergangenes erinnern oder über eine Geschichte nachdenken. Diese Wechsel fand ich nicht immer eindeutig und brauchte auch häufig etwas, um den Sinn dahinter zu verstehen. Dies machte das Lesen oftmals sehr anstrengend.
Zudem werden häufig alte Legenden und Geschichten angesprochen. Eine besondere Rolle spielt dabei ein Buch, welches Massuds Vater geschrieben hat, mit dem Titel „Auf dass sie sich kennenlernen“, welches sich wie ein roter Faden durch die gesamte Geschichte zieht. Es behandelt Legenden und Erzählungen der verschiedensten Kulturen der Welt und wie diese zusammenhängen, sich kreuzen, einander beeinflussen.
Zu Beginn wird dieses Buch, welches Massud erst kurz vor seinem Tod wiederfindet, von einem Soldaten zerstört, der versucht Nargis damit unter Druck zu setzen. Daraufhin versuchen Nargis, Helen und Imran, dieses Stück für Stück wieder zusammenzusetzen. Dies ist nur eins von vielen Beispielen für die ungeheure Symbolkraft dieses Buches.

Die Protagonisten sind alle sehr klug und weltoffen und ihrem Land somit weit voraus. Sie haben eigentlich nichts verbrochen, außer zur falschen Zeit am falschen Ort geboren zu sein. Das Land und die Bewohner haben ihnen so viel Leid zugefügt und dennoch verlieren sie nicht die Hoffnung, dass es sich irgendwann ändern wird. Die vielen Rückblenden und die sehr tiefgründigen Gedanken der Charaktere bekommen dadurch eine zusätzliche Tiefe. Schade fand ich nur, dass die Auswahl der Protagonisten etwas einseitig war. Die konservativen, strengen Moslems, waren stets „die Anderen“, wodurch man als Leser wenig Einblick in diese Gedankenwelt bekam.
Auch für die Protagonisten hätte ich mir in der Gegenwart noch mehr Handlung gewünscht, um sie noch mehr zu begleiten und besser in die Geschichte einzutauchen.

Die Aussage des Romans kann für mich vor allem durch das Leitmotiv des Buches „Auf dass sie sich kennenlernen“ nicht eindeutiger sein: wenn wir Menschen es schaffen, uns auf unsere Gemeinsamkeiten zu konzentrieren und Unterschiede als etwas Gutes anzuerkennen, wenn wir endlich jahrhundertealte Fehden überwinden und Einzelfälle nicht auf ganze Bevölkerungsgruppen übertragen würden, dann wäre die Welt ein besserer Ort und wir könnten ihre Schönheit endlich wieder schätzen.

Das Cover finde ich wunderschön und es passt für mich hervorragend zu der Atmosphäre, die aufgebaut wird, wenn die Schönheit der Natur, der Gärten und der Gebäude beschrieben wird, die so einen harten Kontrast zur Brutalität der Menschen dort darstellt.

Fazit
Insgesamt hat mir das Buch sehr gut gefallen. Sowohl die Charaktere als auch die Atmosphäre, die die Zerrissenheit zwischen Schönheit und Brutalität greifbar macht, hat mir sehr gut gefallen. Es regt definitiv zum Nachdenken über unsere Welt an und schaffte wenigstens für mich einen sehr lehrreichen Blick in ein so fremdes Land.

Der facettenreiche Aufbau der Erzählung hat zwar einerseits sehr zur Tiefe des Buches beigetragen, schränkte aber auch oftmals den Lesefluss ein, weshalb es definitiv keine leichte Lektüre war. Hin und wieder hätte ich mir mehr Geschichte im Hier und Jetzt und weniger ausschweifende Erzählungen über Legenden oder vergangene Ereignisse gewünscht. Es war wie ein Mosaik, in dem jedes kleine Detail eine Bedeutung hat, das aber erst zusammengesetzt anfängt einen Sinn zu ergeben.

Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung – gerade, wenn einem auch Romane wie der „Drachenläufer“ von Khaled Hosseini gefallen haben, wird man hier sicherlich auch auf seine Kosten kommen! Eine einfache Lektüre sollte man aber nicht erwarten.

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