Der zweite Teil der Selestria-Reihe steigt erst mal recht ungewohnt ein: Seit den Geschehnissen aus Band 1 ist ein Jahr vergangen. Ich persönlich habe eine Weile gebraucht, um wieder in die Welt und die Figuren rein zu finden, zumal sich in diesem einen Jahr so viel verändert hat, was noch nicht alles völlig klar ist. Viele Prozesse und Entwicklungen der Figuren werden erst nach und nach aufgedeckt und aufgedröselt und dann ins rechte Bild gerückt.
Gerade Samírs Entwicklung wird lange Zeit verborgen gehalten und mir erschien er am Anfang doch etwas fremd. Zum Glück „entblättert“ die Autorin Samír Stück für Stück, sodass man langsam erfährt, was ihm in diesem letzten Jahr passiert ist.
Dimo und Mara haben ebenfalls eine ganz schöne Entwicklung hingelegt. Sie sind wesentlich gefestigter in Selestria und gehen voll in ihren Ausbildungen auf. Mir persönlich war dieser harte Wechsel zu abrupt, weil ich immer an Prozessen und Wandlungen interessiert bin (ich hätte auch super gerne einfach so Alltagsszenen gelesen).
Man merkt, dass Nadia Raia diesen Band im Gegensatz zum ersten an einem Stück geschrieben hat. Aufbau, Handlungsbogen und Charakterentwicklung greifen wesentlich mehr ineinander und bauen gezielter und dichter aufeinander auf.
Was mir persönlich mit am meisten gefehlt hat, waren Anzeichen auf die vergangene Zeit. Es ist immer mal wieder die Rede von vergangenen Monaten oder Tagen und dann wird die Handlung dieser Tage rückwirkend zusammengefasst. Mir haben irgendwelche Hinweise auf die vergangene Zeit gefehlt. Ich erinnere mich wage daran, dass das Klima in Selestria recht unbeständig ist und man die vielleicht als Anhaltspunkt nicht wirklich nehmen kann (wobei ich irgendwann im letzten Abschnitt irgendwas über den Winter gelesenen? Dass irgendwann der Winter oder so Einzug hält?). Dennoch hätte ich mir irgendeine Art von Zyklus oder was auch immer gewünscht, um mich zeitlich besser orientieren zu können. Auch die Geschehnisse innerhalb dieser zusammengefassten Zeiten wirkten etwas dazwischen gequetscht und die ein oder andere Szene hätte ich mir ausführlicher gewünscht (wobei dieses Buch dann um einiges dicker geworden wäre - es passiert wirklich viel!). Durch diese Art Zusammenfassungen können Charakterentwicklungen ganz anders vorangetrieben werden. Man wird zwar manchmal in Sprüngen mit den Entwicklungen der Figuren konfrontiert, aber dadurch wird es nicht langweilig.
Was ich hier wieder sagen muss: Die Autorin legt wirklich besonderen Wert auf das Seelenleben ihrer Figuren. Wo in vielen Fantasy-Welten Schmerz, Leid, Misshandlungen etc. Entweder ziemlich leicht weggesteckt werden oder sehr raue Leute hervorbringen geht Nadia Raia hier mit viel Feingefühl an sensible Themen und nimmt sich wirklich die Zeit, die richtig Gewichtung rein zu legen, statt es einfach zu abzuarbeiten. Und das tut dieser Welt richtig gut. Das gibt dem Innenleben der Figuren und dem Zwischenmenschlichen eine tiefere Verbindung und die Gewichtung, die es verdient hat.
Zudem bahnen sich in Band 2 Sachen an … huuuuu, spannend. Ich bin sehr gespannt auf Band 3 und die Auflösungen die er (hoffentlich) für uns bereit hält. (Das Ende war einfach zuuuuuu fies.)
Alles in allem ist Selestria ein etwas ungeschliffener Rohdiamant, der viele gute Ansätze und eine spannende Welt in sich trägt (von der ich mir manchmal etwas mehr Einblicke wünschen würde :P). Ich freue mich auf kommende Welten, in die Nadia Raia uns entführen wird und verfolge gespannt ihre Entwicklungen im als Autorin.