Rezension zu "Nichtmuttersein" von Nadine Pungs
Die Autorin Nadine Pungs möchte nicht nur keine Mutter sein, sie wehrt sich mit „Nichtmuttersein. Von der Entscheidung ohne Kinder zu leben“ auch gegen die mangelnde gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber ihrer persönlichen Entscheidung. Eine freiheitliche Gesellschaft ist für sie nur möglich durch die kollektive, weibliche Selbstermächtigung und die uneingeschränkte gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber der individuellen, selbstbestimmten Entscheidung jeder Frau zum Nichtmuttersein einschließlich Sterilisation und Schwangerschaftsabbruch.
Die Realität sieht im Jahr 2022 noch extrem anders aus; es herrscht Reproduktionsungerechtigkeit, in der die Gesellschaft den Frauen die Mutterschaft moralisch aufzwingt, der Uterus wird so in Geiselhaft genommen, es reicht ein Blick in unsere Gesetzgebung mit Paragraf 218 StGB.
Pungs erzählt im ersten Strang von ihrer eigenen Sozialisation, was wichtig für die Leserschaft ist, um ihren Weg vom Kind zur selbstbestimmten Frau nachvollziehen zu können. Außerdem arbeitet sie sich konsequent an den Themen ab, die damit zusammenhängen; die Geschichte des Patriarchats, Geschichte der Familie, Frauen am Herd und im Arbeitsleben, Protestantismus und Muttermythos, die Rolle der katholischen Kirche beim Thema Abtreibung, der gesellschaftliche Forderungskatalog an Mütter usw. Pungs spricht mit Müttern, Nichtmüttern und Frauen, die gerne Mütter wären. Sie bespricht Influencer-Mütter in der Insta-Realitätsblase und die persönliche Situation der eigenen ungewollten Schwangerschaft und der tour de force des anschließenden Schwangerschaftsabbruchs.
Und sie führt die Leserschaft an den Punkt, wo es logisch verständlich wird, dass es für sie nur einen Weg gibt, sich von der gesellschaftlichen und politischen Anspruchshaltung zu befreien, um zu vollständiger, weiblicher Körperherrschaft zu gelangen.
Dabei ist „Nichtmuttersein“ immer gerecht und liberal, denn Pungs geht es nicht darum, das „Nichtmuttersein“ gegenüber dem „Muttersein“ als bessere Alternative darzustellen, es geht ihr einzig und allein darum, dass beide Konzepte gleichberechtigt akzeptiert werden, ohne Wenn und Aber. Die Tonalität ist manchmal wütend, sehr oft liebevoll und teilweise witzig.
An „Nichtmuttersein“ werden sich alle Diejenigen orientieren, die beim Thema der eingeforderten Reproduktionsgerechtigkeit ein profundes Wort mitreden möchten. Da dieser Prozess harmonisch nur gemeinsam von Frauen und Männern vorangetrieben werden kann, ist „Nichtmuttersein“ nicht nur ein Buch für Leserinnen, sondern explizit aufklärerisch auch für Leser.
Uneingeschränkte Leseempfehlung!