Cover des Buches Was nie geschehen ist (ISBN: 9783351037055)
miro76s avatar
Rezension zu Was nie geschehen ist von Nadja Spiegelman

Die Wurzel aller Übel

von miro76 vor 6 Jahren

Kurzmeinung: Eine Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit: Sehr persönlich nimmt die Autorin das Mutter-Tochter-Verhältnis unter die Lupe.

Rezension

miro76s avatar
miro76vor 6 Jahren
Nadja Spiegelmann ist die Tochter des berühmten Cartoonisten Art Spiegelmann und der Kunstredakteurin des New Yorkers, Francoise Mouly. In ihrem Debütroman nimmt sie ihre Vergangenheit unter die Lupe. Gnadenlos seziert sie das Leben ihrer Mutter und das ihrer Großmutter Josee.

Alle Frauen dieser Familie leiden unter einem Mangel an Mutterliebe, dem Gefühl, nie gut genug zu sein, nicht erwünscht zu sein. Josee war ein uneheliches Kind und natürlich war es für ihre Mutter nicht leicht, sie durch den Krieg zu bringen. Doch diese wusste dennoch ihr Leben zu genießen. Josee blieb bei der Oma. Francoise war das mittlere von drei Mädchen und es scheint, ihre Mutter hatte es nicht leichter. In der Großmutter fand sie eine Vertraute und Nadja ist ebenfalls von dem Gefühl geplagt, zu wenig wahrgenommen zu werden. Wenn auch nicht in dem Ausmaß, wie es ihrer Mutter ergangen ist.

Doch nur Nadja macht sich auf die Suche nach den Wurzeln des Problems. In Interviews geht sie dem ganzen auf den Grund. Sie lässt sich die Geschichte ihrer Mutter erzählen. Sie fragt ihre Großmutter, was ihre Mutter nie gewagt hat zu fragen und muss feststellen, wie unterschiedlich Wahrnehmung sein kann. Erinnerungen sind lebendig. Sie entwickeln sich manchmal im Verborgenen, können wachsen und gedeihen. Was dem einen unwichtig erscheint, kann für den anderen ein Wendepunkt sein.
Und die Erinnerungen leben auch im Zuhörer weiter:

"Ich war es, die jetzt ihre Erinnerungen an die Oberfläche holte, und während sie sie mir erzählte, veränderten sie sich. Auch ein Teil von mir rankte sich nun in leuchtenden Farben um ihre Vergangenheit." (S. 101)

Für Nadja und besonders für Francoise ist es eine schmerzhafte Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte. Was es bringt ist unklar. Vielleicht ist es einfach nur mühsam.

Anfangs konnte mich das Buch richtig begeistern. Mir gefallen die Gedanken, die sich die Autorin zu den Themen Erinnerung und Wahrnehmung macht. Das Bewusstsein, dass die Gegenwart die Vergangenheit ebenso verändern kann wie umgekehrt finde ich interessant und wie schwierig es sein kann, sich aus den eigenen Stricken der Vergangenheit zu befreien. Fast scheint es ein Zwang zu sein, dass in dieser Familie Töchter nicht geliebt werden.

Nadjas Verhältnis zu ihrer Mutter hat sich durch diese Nabelschau sicher verändert. Sie ist geduldiger, nachgiebiger. Sie kann es sicher einmal anders machen.

Die Sprache des Buches ist mir auch äußert angenehm aufgefallen. Mir gefallen die Bilder, mit denen die Autorin erklärt und mit denen sie Gewicht auf einzelne Aspekte legt. Außerdem zeichnet sie ein interessantes Bild von Paris, abseits der Touristenpfade.

Ich vergebe 4 Sterne für dieses extrem persönliche Buch, denn es braucht eine gehörige Portion Mut, sich so ausführlich mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen und das dann auch noch öffentlich zu machen. Einen Stern ziehe ich ab, weil es manchmal sehr schwierig ist, die Erzählstimmen auseinander zu halten und streckenweise empfand ich die Wiederholung doch etwas trostlos.

Angehängte Bücher und Autor*innen einblenden (2)

Was ist LovelyBooks?

Über Bücher redet man gerne, empfiehlt sie seinen Freund*innen und Bekannten oder kritisiert sie, wenn sie einem nicht gefallen haben. LovelyBooks ist der Ort im Internet, an dem all das möglich ist - die Heimat für Buchliebhaber*innen und Lesebegeisterte. Schön, dass du hier bist!

Mehr Infos

Hol dir mehr von LovelyBooks