Cover des Buches Jeder kann zum Mörder werden (ISBN: 9783492300735)
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Rezension zu Jeder kann zum Mörder werden von Nahlah Saimeh

Rezension zu "Jeder kann zum Mörder werden" von Nahlah Saimeh

von Mario_Veraguth vor 10 Jahren

Kurzmeinung: Ein insofern erschreckendes Buch, als dass es aufzeigt, wie leicht normale Menschen mitunter unschuldig zu Mördern werden können.

Rezension

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Mario_Veraguthvor 10 Jahren

Das Buch beginnt mit gut nachvollziehbaren Fällen, wobei die Schuld der Täter insofern erschwerend wiegt, weil meist Gier oder Bedacht auf den eigenen Vorteil den Anstoß für Morde an Familienmitgliedern oder eher zufälligen Opfern gegeben haben. Sich aus der prekären Lage nach grausamen Taten mittels Vorspielen einer Schuldunfähigkeit herausschwindeln zu wollen, kann aufgrund der Finesse der Testverfahren und den Gesprächen mit Psychiatern nur schwer gelingen. Was den Tätern noch weniger bewusst zu sein scheint, ist der Unterschied zwischen Gefängnis, Sicherheitsverwahrung und geschlossener psychiatrischer Klink, wobei jede Aufenthaltsart ihre Vorzüge, aber auch Nachteile hat und die Hoffnung, als minder schuldfähig eingestuft und in die Psychiatrie eingeliefert zu werden, nicht unbedingt als erstrebenswert gelten sollte. Denn unter wirklich und nicht nur simuliert gefährlichen Geisteskranken und schwersten Psychopharmaka mit potenten Nebenwirkungen der Entscheidung des Anstaltspsychiaters, wann man wieder als gesellschaftsfähig eingestuft werden kann, zu harren ist keine so nette Alternative zum normalen Strafvollzug, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Obwohl die Täter der ersten Kapitel es noch am ehesten verdient hätten, da sie sich nicht einmal auf ein kaputtes Elternhaus, sexuellen Missbrauch und eine von vornherein feststehende Chancenlosigkeit berufen können, um ihre Taten zu rechtfertigen.

Im Gegensatz dazu wäre es den Tätern der zweiten Kategorie und damit dem Mittelteil des Buches schon als, zumindest subjektiv und von der Nachvollziehbarkeit her, anzurechnen, dass sie wirklich einfach Pech hatten. Wenn man aus dem rohen, ungeschliffenen Diamant eines neugeborenen Erdenbürgers statt etwas schönem, produktivem, sprich mündigen, gesetzestreuen Erwachsenen einen missbrauchs- und gewaltgeprägten, aufgrund dieser traumatischen Kindheits- und Jugenderlebnisse zur Bewältigung selbiger alkohol- und drogenaffinen Verbrecher züchtet, muss man sich nicht wundern, wenn es irgendwann eskaliert. Auf der Grundlage von Armut, grundfalscher Prägung und Suchtkrankheit der Eltern entstehen beklagenswerte Teufelskreise, deren Lösung der Struktur unserer Gesellschaft so zuwiderläuft, dass sie als nicht existent, weil unrealisierbar, angesehen werden kann.

Für den Normalbürger wohl am schockierendsten ist die dritte und letzte im Buch behandelte Tätergruppe, in der sich Ehepartner, Kinder, Geschwister oder Großeltern schleichend zu verändern beginnen, sich immer mehr zurückziehen, bis irgendwann eine schizoid-paranoide Störung die einstige Persönlichkeit des Betroffenen hinwegfegt und Verfolgungswahn, krankhafte Ideen und mitunter die scheinbare Gewissheit, ein Angehöriger wäre der Auslöser der Krankheit und wolle die Person schädigen, vergiften oder töten, an die Stelle eines geliebten Menschen tritt. Da man so entsetzliche Gewissheiten nicht wahr haben möchte und zu Verdrängung und Schönrederei des Sachverhalts tendiert, kann es dazu kommen, dass der Patient so lange unbehandelt bleibt, bis er im Wahn tötet. Der Vater die Tochter. Oder der Sohn die eigene Mutter.

Die Realität beinhaltet mitunter derartig harte Geschichten, dass kaum eine Fiktion annähernd das Grauen eines solchen Tatsachenberichts verursachen kann, besonders angesichts der Tatsache dass es wirklich jeden treffen könnte und man nicht weiß, in welcher Lage man schlimmer dran wäre. Als Opfer oder als minder schuldfähiger Täter.

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