Schwer verdaulich, unbequem und zum Teil auch schwierig geschrieben. Trotzdem war es für mich persönlich lohnenswert es zu lesen, auch wenn ich mir vorstellen kann, dass das Buch nicht viele ansprechen wird.
Damit man meine Rezension versteht, braucht man wohl zuerst ein paar Fakten über mich:
Ich gehöre quasi auch zu "den Anderen". Ich bin in Korea geboren, lebe hier (genau genommen Westdeutschland) seit sehr vielen Jahren. Auch wenn ich hier nicht geboren bin, sehe ich mich als Deutsche und fühle mich in Deutschland Zuhause. Ich bin sehr viel um die Welt gereist und nehme immer "uns" (also die Deutschen) in Schutz, wenn wieder einmal die Rassismus- und Nazi-Debatte anfängt. Natürlich sehe ich nicht deutsch aus.
Die einzigen rassistischen Bemerkungen (z.B. belästigende Nihao, Zurufe wie "Scheiß China" oder "Das mit den Atombomben habt ihr verdient", etc.) habe ich bis jetzt nur von "den Anderen", den türkisch-stämmigen(?), muslimischen Mitbürger bekommen. Allerdings weiß ich, dass das (hoffentlich) nur eine Randerscheinung ist und hege keinen Groll gegenüber bestimmten Völkergruppen. Leider ist es immer noch so, dass viele asiatische Freunde/Bekannte noch immer unter rassistischen Handlungen durch "die Anderen" leiden.
Jetzt kommt nun dieses Buch ins Spiel, wo eine Wissenschaftlerin zusammen mit einer ostdeutschen Journalistin verschiedene Dialoge führen, über das Anderssein und die deutsche Gesellschaft in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Der erste Kapitel war besonders schwierig für mich, da man sich nur in der Opferrolle sah (jedenfalls war das mein Gefühl). Direkt im nächsten Kapitel gehen aber die beiden Autorinnen darauf ein, dass viele das Buch als Jammerbuch betiteln würden (was letztendlich kein Jammerbuch war). Manche Fragen wurden aufgeklärt, andere blieben unbeantwortet, aber mir ist klar, dass ein Buch natürlich nicht alle Antworten parat haben kann. Wobei mir das Buch definitiv geholfen hat ist, ein Verständnis dafür zu entwickeln, warum die muslimische Gruppe gerade so tickt.
Trotzdem bin auch ich nur ein Mensch, kann mich auch nicht immer politisch korrekt ausdrücken oder sachlich argumentieren wie die beiden Autorinnen. Vor allem beim Lesen der ersten Hälfte hatte ich die ganze Zeit im Kopf "und was ist mit uns? (asiatische Gruppen)", "rechtfertigt das etwa das Verhalten von Muslimen, wie sie sich gegenüber andere kleine Völkergruppen handelt?", "wieso findet in dieser Gesellschaft kein Diskurs statt?" oder "wieso greifen da nicht die religiösen Oberhäupter oder sonstige Führungsrollen ein um ein falsches Verhalten aufzuhalten?"
Auch hier ist mir klar, dass es Erklärungen gibt (z.B. dass Opfer zu Tätern heranwachsen können, usw.), aber ich kann nicht immer rational sein, wenn in meinem näheren Umfeld unvorhersehbare rassistische Angriffe durch andere Gesellschaftsgruppen wie durch die muslimischen entstehen. (Damit das klar ist: mir ist bewusst, dass nicht alle so sind, leider stechen die schlechten Erlebnisse doch hervor)
Die ganze Zeit haben wir nach außen gesendet und sehen jetzt: Innen ist Wüste. Wir haben das Innen vernachlässigt und brauchen jetzt einen Moment von Healing.
Es war gut, dass ich mich durch die ersten Seiten durchgekämpft habe, da auf den späteren Seiten einiges erklärt wird, was ich so noch nicht woanders gelesen habe. Zudem werden Verbindungen gesetzt und Relationen deutlich gemacht, wie manche geschichtlichen und gesellschaftlichen Ereignisse zusammenhängen. Es hat mich in gewisser Weise beruhigt. Außerdem ist das Buch ja auch nicht nur über einzelnen Gruppen, sondern die deutsche Gesellschaft im Ganzen. Auch wenn ich zugeben muss, dass es für mich persönlich schwierig war, die erste Hälfte des Buches wirklich zu verdauen.
Grundsätzlich ist es eine tolle Idee quasi 2 "Außenseiter" zusammenzusetzen um einen Dialog zu führen. Die Autorinnen sind wirklich fabelhaft darin ihre Standpunkte aufzuzählen und ihre Beweggründe zu erklären. Es ist wie ein Tauziehen, man versucht einen Punkt zu finden, wo man sich näher kommen kann, wo ein Zusammenleben ermöglicht wird und wo die verschiedenen Gesellschaften zueinander finden können. Auch wenn ich nicht in allen Punkten zustimme und das Buch auch nicht perfekt ist (den Kapitel über Berlin fand ich eher schwach), hat es mir trotzdem gefallen. Es war aber keine leichte Kost und ich brauchte länger als gewohnt um das Buch durchzulesen.
Es war ein sehr interessantes, informatives Buch, da ich mich für dieses Thema interessiere, aber ich habe mich gefragt, für welche Zielgruppe das Buch geschrieben wurde. Ich gehe mal davon aus, dass das Ziel nicht unbedingt ein verkaufsfähiges Buch war, sondern etwas zu publizieren, was an erster Stelle auf Erklärung, Verständnis und Aufbau hinaus will.
** Dieses Buch wurde mir über NetGalley als E-Book zur Verfügung gestellt **
Naika Foroutan
Lebenslauf
Quelle: Verlag / vlb
Alle Bücher von Naika Foroutan
Die Gesellschaft der Anderen
Es wäre einmal deutsch
Neue Rezensionen zu Naika Foroutan
In diesem Buch wird unsere Gesellschaft in ihren verschiedenen Gruppen beleuchtet. Zum einen die Migranten und zum anderen die Ost-Deutschen. Ich selbst habe die deutsche Teilung nicht miterlebt, doch durch meine Eltern und Großeltern kenne ich viele Geschichten und auch Vorurteile dieser Zeit, welche sich bis ins Hier und Jetzt gehalten haben.
Dieses Buch kann man nicht zwischendurch und nebenbei lesen. Man muss sich Zeit nehmen und sich auf die Themen einlassen. Bereits am Anfang wird mit dem Terroranschlag in Hanau ein sehr schwer lesbares, aber sehr interessantes Thema angesprochen. Der Aufbau einer Parallelgesellschaft durch migrantische Jugendliche ist für mich als angehende Lehrkraft ein sehr präsentes Thema.
Es wird deutlich, dass Deutschland auch nach 30 Jahren immer als eine Gesellschaft lebt und handelt. Statt der Einigkeit spalten sich immer mehr Randgruppen ab.
Die Autorinnen haben es geschafft, dass ich sehr viel über die angesprochenen Themen nachgedacht habe und unsere Gesellschaft nun mit anderen Augen sehe.
Meine einzige Kritik ist, dass es in Form eines Dialoges geschrieben ist und für mich damit teilweise unübersichtlich wurde.
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