Die größte Überraschung an "Kein Wasser stillt ihren Durst" war für mich, wie leicht es mir fiel, nur so durch die Seiten fliegen. Ich hatte mit einem thematisch sehr interessanten Buch gerechnet, welches mich einer Religionsgemeinschaft näher bringen würde, von der ich zuvor, zugegebenermaßen, nie auch nur gehört hatte. Aber ich hatte auch damit gerechnet, dass es mir schwerfallen würde, mich in Hayat und ihr Leben einzufühlen.
Das war aber keineswegs der Fall: von Anfang an fühlt man sich Hayat sehr nah und hat das Gefühl, mit ihr im elterlichen Keller eingesperrt zu sein und Tageslicht nur durch ein kleines Fenster zu sehen.
Kein Wasser stillt ihren Durst ist aber nicht nur die Geschichte Hayats, sondern auch eine der Frauen in ihrem Umfeld. Und das machte mich fertig, denn keine einzige der Frauen erlebt ein Happy End. Und es machte mich auch fertig, weil die Frauen an der gegenseitigen Unterdrückung mitwirken. Insbesondere wie die Mütter mit ihren Töchtern umgehen, zeigt, dass eben gerade Frauen zur Aufrechterhaltung des Patriarchats beitragen.
Und das Buch erzählt zudem die Geschichte der Drus*innen in Suwaida. Es gibt zahlreiche Zeitsprünge, wobei historische Ereignisse eingebaut werden und gezeigt wird, wie diese sich auf die Region und ihre Bewohner*innen auswirkte. Je nachdem, aus wessen Sicht die Geschichte gerade erzählt wird, werden dabei unterschiedliche Ereignisse relevant. Das empfand ich als sehr realistisch, denn für jede*n von uns gibt es Ereignisse, die uns stärker betreffen und andere, die uns nur am Rande berühren.
Obwohl ich das Buch überraschend schnell gelesen hatte, ist es mitnichten eine leichte Lektüre. Die Wut, die ich über die Behandlung Hayats empfand, forderte immer wieder Lesepausen. Zudem gibt es sehr viele Perspektivwechsel, teilweise mitten im Kapitel, und Zeitsprünge. Ich war prüfungsbedingt gezwungen, eine Lesepause einzulegen und mir fiel es danach wirklich sehr schwer, mich wieder in die Geschichte einzufinden. Und selbst als ich einmal wieder drin war, musste ich regelmäßig einen Schritt zurückmachen, mir den Stammbaum anschauen und kurz überlegen, wessen Geschichte ich eigentlich gerade lese.
"Kein Wasser stillt ihren Durst" kann ich allen empfehlen, die, wie ich, noch nie vom Drusentum gehört haben und deren Interesse geweckt wurde. Und allen, die gerne Bücher lesen, die einen Blick über unseren weißen, europäischen Tellerrand bieten. Najat Abed Alsamad hat ein eindrückliches, manchmal verstörendes, wut-hervorrufendes Buch über eine Frau geschrieben, der die Menschen in ihrem Umfeld übel mitspielten.