Rezension zu "Soad und das Militär" von Najem Wali
2001 stirbt die bekannte ägyptische Sängerin und Filmdiva Soad Hosney unter mysteriösen Umständen im Londoner Exil. Gestürzt vom Balkon ihrer Wohnung im Stuart Tower. Kurz zuvor hatte sie das Schreiben ihrer Memoiren angekündigt. War es selbstgewählter Suizid oder doch Mord- in Auftrag gegeben durch den einflussreichen ägyptischen Geheimdienstapparat und das Militär? Die Spekulationen über dieses tragische Unglück bestehen bis heute fort und dienen als realer Bezugspunkt für den Roman „Soad und das Militär“ des irakisch-deutschen Schriftstellers und Journalisten Najem Wali.
Drei Jahre nach dem Beginn des sogenannten „arabischen Frühlings“ in Kairo: der Erzähler Harun, der schon oft im Land war, ist für eine Lesung am Goethe-Institut angereist. Unverhofft trifft er auf seinen alten Freund Simon Syros - ein Amerikaner, der einst an einem Weltwörterbuch über die Sprache des Militärs arbeitete - und plötzlich spurlos verschwand. Warum ist Simon nach so langer Zeit mit einer Pistole im Gepäck zurückgekehrt? Warum müssen sie sich heimlich treffen? Was steht in den elf fiktionalen und in der 3.Person formulierten Heften seiner großen und verstorbenen Liebe Soad, die Simon dem Erzähler überlässt?
Wali legt mit seinem Roman eine klug konstruierte Mischung aus Fakten und Fiktion vor, die sich zeitlich von Beginn der 1950er bis zum postkolonialen Kairo der Gegenwart spannt. Dabei gewährt der Autor tiefe Einblicke in das Schicksal und unausweichliche Abhängigkeitsverhältnis der Sängerin und Schauspielerin Soad, die seit ihrer Kindheit ein fremdbestimmtes Leben in den Fängen des Geheimdienstes und Militärregimes führt. Gleichsam von den Offizieren bewundert und hinsichtlich ihrer Karriere selbst von diesem hegemonialen Netzwerk profitierend, wird sie nahezu ihr ganzes Leben perfide instrumentalisiert und im vermeintlichen Dienste des Patriotismus und Nationalismus für politische Zwecke missbraucht. Mit pornografischen Aufnahmen wird Soad u.a. zu Spionagetätigkeiten und Geschlechtsverkehr mit hochrangigen arabischen Herrschern und den ägyptischen„Feinden“
erpresst, lebt in ständiger Überwachung, erfährt bloße Frauenverachtung und Demütigungen.
Eine freie Beziehung zu Simon, der ebenfalls unaufhaltsam in dieses Machtgefüge verstrickt wird, ist in Ägypten kaum möglich und treibt das Paar ins Exil. Doch Soad zerbricht an ihrem Schicksal, in das sie einst vom eigenen Vater getrieben wurde und welches sie aus Liebe zu ihrer Familie aufrechterhalten hat.
Dies alles ist ziemlich interessant zu lesen, hat meinen Horizont in soziokultureller/historischer Hinsicht ungemein erweitert und das Schicksal von Soad hat mich sehr bewegt. Spannend auch vor dem Hintergrund, dass der Roman in vielen autokratischen Ländern auf dem Index landet, der Titel teilzensiert wird. Teilweise empfand ich die Schilderungen als etwas zu langatmig, zu repetitiv, den Fokus verlierend, zu monologisch, wodurch der Spannungsbogen nicht durchgängig gehalten werden konnte. Dennoch hat mir der Schreib- und Erzählstil insgesamt sehr gut gefallen, der Autor ist sich dabei treu geblieben und man merkt auf jeder einzelnen Seite, wie viel Mühe, Recherche, Gedankenreichtum und Bedächtigkeit in seinem Schreiben liegt. Dies und den Mut so ein Buch zu schreiben, ist definitiv zu wertschätzen und ich spreche daher eine klare Leseempfehlung aus. Verdient steht der Roman auf Platz 5 der aktuellen Bestenliste „Weltempfänger“ von litprom_ev Hervorzuheben ist auch die gelungene Übersetzung aus dem Arabischen von Christine Battermann.