Cover des Buches SchattenSucht (ISBN: 9783827194350)
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Rezension zu SchattenSucht von Nané Lénard

Ein grundsolider Thriller mit vielen vorzüglichen Pluspunkten und Stärken!

von Floh vor 8 Jahren

Kurzmeinung: Gesellschaftskritisch, sympathisch, stark und mit grandiosem Suchtpotential für diese deutsche Thriller-Reihe um Wolf Hetzer! 4 Sterne +

Rezension

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Flohvor 8 Jahren
Bei diesem Thriller „SchattenSucht“ war es nicht nur der beklemmende Titel, sondern auch das düstere Cover und der vielversprechende Klapptext, der mich angesprochen hat und neugierig machte. In "SchattenSucht" , ihren bereits siebten erschienen Fall der Schatten-Reihe mit und um Kommissar Wolf Hetzer, behandelt die deutsche Autorin Nané Lénard einen ganz intensiven, beklemmenden und gesellschaftskritischen (Mord-) Fall. Nané Lénard schickt einen intensiven Thriller, mit einer ganz tragischen und kontroversen Geschichte und Handlung und einer ganz speziellen Umsetzung samt ihrer ganz speziellen Protagonisten und Ermittler ins Rennen und punktet mit sehr talentierten Kniffen und sammelt viele Pluspunkte. Da sich diese Thriller-Reihe, wie ich feststellen konnte, wunderbar einzeln und unabhängig lesen lässt, habe ich eine neue Reihe, bzw. ein neues gern gelesenen Ermittlerteam für mich entdeckt. Daumen hoch!
Erschienen im CW Niemeyer Verlag (http://www.niemeyer-buch.de/)

Inhalt:
"Trieb die Sehnsucht nach Ruhe und Vergessen zwei Menschen in den Tod? Die mysteriösen Umstände ihrer Selbstmorde lassen die Kommissare Hetzer und Kruse zweifeln. Parallel entdeckt der LKA Beamte Thorsten Büthe in Hannover ein unbekanntes Foto in einer bereits geschlossenen Akte, deren Inhalt er nicht vergessen kann.
Was keiner der Kommissare ahnt, geschieht im Schatten der Hoffnungslosigkeit. Schwerkranke und lebensmüde Menschen suchen im Netz nach Hilfe beim Umsetzen ihrer Tat. Wer die Unterstützung einer Sterbehilfeorganisation nicht in Anspruch nehmen kann, tauscht sich in Selbstmordforen aus. Eine willkommene Spielwiese für jemanden, der seine Mordlust ausleben möchte, bis er sich in einem der Opfer gründlich irrt."

"Wir stehen wieder auf Messers Schneide zwischen Mord und Selbstmord" (Seite 232)

Handlung:
Das einzige was an diesem Buch nach Schema F oder Standard erscheinen könnte ist der Prolog, der bereits eine absolut beklemmende Stimmung beschreibt. Julia, nahe am Abgrund, die sich von einem Turm in den erlösenden Tod stürzen will…. Der Leser wird genau an dieser Stelle gepackt und von der Autorin abgeholt. Erste Fragen stellen sich und das erste Puzzleteil ist gelegt. Weitere tragische, beklemmende, melancholische, schmerzerfüllte und depressive Teenies, junge Männer, sterbenskranke Frauen und gescheiterte Existenzen berichten von ihrem Seelenleben und suchen Zuflucht in einem Internetforum, welches sich mit der Hilfe, Beratung, Zuwendung und Unterstützung bei dem Thema Sterbebegleitung, Sterbehilfe und Selbsterlösung befasst. Steht hinter diesem Chat wirklich nur reine Nächstenliebe? Oder bedient sich eine skrupellose Organisation an dem Leid der lebensmüden Menschen? Ist hier ein perfider Serienkiller am Werk? Für das Ermittlerteam um Kommissar Wolf Hetzer und seinen Kollegen, Detlef, Peter, Nadja und neuerdings auch aus seinem erst kürzlich aufgetauchten Sohn Niklas stellt sich die drängende Frage, wie all die gehäuften und dubiosen Selbstmordfälle im Zusammenhang stehen. Gibt es einen gemeinsamen Nenner? Welche Mittel und Wege stehen dem sympathischen Team zur Verfügung? Kann man hier überhaupt von Mord sprechen? … Ein brisantes Thema, ein zwiespältiger Kern, spannende Handlungsstränge und viel Unterhaltungswert und Sympathie im Team. Ein starker Fall für Kommissar Wolf Hetzer und seiner Hündin Lady Gaga. Recht und Unrecht, Moral und Ethik verschwimmen hier und bieten in einem fulminanten Showdown alles, und noch mehr, was das Thrillerleserherz begehrt…

"Das Internet mochte viele Vorteile haben, es schuf aber auch Möglichkeiten und förderte Gedanken, die in bedrohliche Richtungen gingen." (Seite 22)

Schreibstil:
Der Schreibstil der Autorin Nané Lénard ist unter anderem dass, was diesen Thriller zu diesem unterhaltsamen und kurzweiligen Lesehighlight und zu dieser Besonderheit macht. Die Autorin bietet erschütternde Einblicke in das lebensmüde Seelenleben junger Teenager, kranker Frauen, gescheiterter Seelen und sterbenskranker Menschen. Sie alle hegen den Wunsch nach einem schmerzfreien und schnellen Tod und treffen sich in bestimmten Foren um sich über ihr Befinden auszutauschen und Verbündete zu finden. Sehr nah, eindringlich, tragisch und beklemmend. Zudem bietet die Autorin Nané Lénard Einblicke in ein lukratives Geschäft, in eine skupellose Machenschaft und in die kranke Gedankenwelt eines „Engels der Erlösung“. Nané Lénard schildert in mehreren kurzen Handlungssträngen von unterschiedlichen Schicksalen und wechselt stets gekonnt die Perspektive und lenkt zurück zu den unter Hochdruck laufenden Ermittlungen, die weite Kreise ziehen und ein sehr sympathisches Ermittlerteam samt Hauptkommissar Wolf Hetzer zu Tage führen. Dadurch, dass die Kapitel sehr kurz sind, und schnelle Perspektivenwechsel sehr viel Auflockerung und Tempo bieten, wird es an keiner einzigen Stelle langatmig oder zäh. Dieser Thriller fließt locker flockig dahin ohne zu schnell zu zerrinnen. Ein optimales Lesetempo. Nicht zu flott, aber auch keineswegs zu stockend. Ideal. Schon am Anfang wird der Leser gepackt, wenig später darf er erst einmal Wolf Hetzer und seine Ecken und Kanten und Stärken kennenlernen. Ein sympathischer Ermittler, der trotz seiner privaten Belange für seinen Beruf lebt und agiert. Die Autorin formt ansprechende Dialoge, die, wenn es erforderlich ist, sehr gefühlvoll, nahe, bindend, einnehmend, beklemmend und intensiv sind, aber auch an angebrachter Stelle mit Witz, Charme, Sarkasmus, Ironie und Humor punkten können. Hat man anfangs den verheißungsvollen Prolog verdaut, muss sich der Leser an die Bekanntschaft einiger Protagonisten gewöhnen, die für den Thrillerverlauf und für die Handlung allesamt gleich wichtig sein werden, da der Leser hier wirklich einen potentiellen Täter und aber auch mögliche neue Opfer nach dem anderen serviert bekommt. Auch in Wolfs nahem Umfeld spielen sich tragische Dinge ab. Hängt auch da etwas mit den sonderbaren Todesfällen zusammen? Absolut ausgefeilt und enorm spannend. Das ist das Interessante an diesem undurchsichtigen Ermittlungen, alles ist möglich, doch nichts scheint wie es zu sein scheint. Die Umstände erschüttern, lassen erschaudern und die ermittlungstechnische Arbeit, die Anomalien des Falls, die Suche nach der Schuld oder Unschuld, die psychischen und palliativen Fakten, die Polizeiarbeit, die gedanklichen Wege.... all das ist unsagbar intelligent und nahezu genial und detailliert recherchiert wiedergegeben worden. Hier macht die Autorin Nané Lénard definitiv keine halben Sachen und überzeugt mit einem grandiosen Schreibstil. Die Spannung ist hier eher zweitrangig, hier wird man einfach von Neugierde und Sympathie an die Seiten gebunden. Da der Leser nicht wissen wird, wohin uns die Ermittlungen führen werden, ist man ständig ganz nah an der Seite der ermittelnden Protagonisten. Hier dominieren in Sachen Thriller nicht ausschließlich brutales Ermorden und Blut, sondern atemberaubende Machenschaften, Schattenseiten und dubiose Zusammenhänge.

„Und während er auf seine Pizza wartete, die gerade im Ofen knusprig wurde, bediente sich anderenorts das Schwarzwild an Julias Fleisch." (Seite 84)

Charaktere:
Was wäre dieses Buch bloß ohne seine genialen und einzigartigen Protagonisten und dieser speziell wechselnden Erzählperspektive? Mit Gold nicht aufzuwiegen sind die besonders gestalteten Charaktere hier in diesem siebten Fall, der auch ohne Vorkenntnisse für Neuleser absolut stimmig und lückenlos ist. Kommissar Wolf Hetzer und sein Schäferhund Lady Gaga sind mir sofort sympathisch. Ich mag seine trockene Art und seine angenehmen Macken und Schrullen. Wolf Hetzer, der einsame Wolf, wie er unter seinen Kollegen gern genannt wird. Wenn man als Leser eines Krimi oder Thrillers das unbeschreibliche Lesegefühl hat, in diesem Team unbedingt mitarbeiten und Teil des Ganzen werden zu wollen, dann hat der Autor, oder wie hier die Autorin Nané Lénard , ganze Arbeit geleistet und das erreicht, was ich mir als Leserin erhoffe. Kommissar Wolf Hetzer ermittelt hier in seinem siebten Fall, dennoch wird der Charakter und sein Wesen stimmig und gänzlich vorgestellt ohne überladen zu wirken. Zwischen den Zeilen erfährt man immer mal etwas aus seiner bewegenden Vergangenheit und vorherigen Fällen. Ein rundes und gelungenes Bild vom Kommissar und seinem tollen Team. Als kleine Kritik empfinde ich jedoch die vielen anderen Charaktere, hier tauchen viele ähnlich lautende Namen auf wie Berti, Birte und Bruni, dann gibt es noch Sohn Niklas, Exfreundin Susanna, Kollegin Nadja, Nachbarin Moni, die vielen Opfer Günther, Richard, Julia, Helma, Antonia… etc. Ein ganzer Pool aus möglichen Tätern und Opfer. Doch was eint diese tragischen Fälle? Alles Zufall? Oder die Handschrift einer geldgierigen Organisation? Oder wirklich ein aus Nächstenliebe getriebener Engel der Erlösung? Hier schöpft die Autorin Nané Lénard aus den Vollen und hat eine Welt aus unbeschreiblichen Darstellern und Einzelschicksalen geschaffen. Auch all die einzelnen nicht unwichtigen Nebencharaktere weisen ganz besondere Noten auf, die Eltern, die Partner, Freunde und Arbeitskollegen. Die Polizei, die Behörde, Journalisten und andere Instanzen und und und ... Nicht zuletzt die unmenschliche Grausamkeit des psychopathischen Killers. 5 Sterne Psychogramme und höchster Unterhaltungswert. Charaktere und Blickwinkel aus tiefsten Abgründen, kranken Seelen, gescheiterten Existenzen, helfenden Händen und der Moral der Gerechtigkeit. Wenn ich ehrlich bin, so möchte ich so manchen aus dem Buch gerne mal real kennenlernen, andere wiederum möchte ich niemals nie im Leben begegnen müssen. Eine raffinierte Auswahl an Protagonisten und Charakteren begegnen wir durch diese gesellschaftskritische Geschichte in diesem so unscheinbaren Örtchen Deutschlands. Nané Lénard hat ganz spezielle Charaktere erschaffen, die so sonderbar sind, wie keine anderen. Hier gibt es nicht nur ein Spiel mit der Genialität und Unvorhersehbarkeit, hier gibt es auch ein perfides Spiel mit kranken Psychen und deren Opfer, und einer Auswahl an großartigen Hauptakteuren in einem überaus sympathischen Ermittlerteam.

"Wissen Sie, ich habe einen Blick dafür. Ich kann am Gesicht eines Menschen erkennen, dass er sterben möchte. Es ist etwas in ihren Augen, wenn sie dazu bereit sind. Nur der Mut verlässt sie manchmal…" (Seite 295)

Schauplätze:
Neben dem einzigartigen Schreibstil mit Wiedererkennungswert, den stimmigen Charakteren, spielen die Schauplätze in diesem Buch keine so große Rolle. Der Thriller spielt zwar in Deutschland, aber der Lokalcharakter rückt hier nicht dominant in den Fokus. Die Schauplätze werden zwar detailliert, real, authentisch und getreu wiedergegeben und spiegeln das jeweilige Bild der Protagonisten, die dort agieren, wieder, aber es ist eben nicht der typische Regional-Thriller. Dieser Thriller hätte überall handeln können. Ein sensationelles Rundumpaket. Die Autorin lässt dem Leser viel Raum für Spekulationen und Fantasie, zeichnet jedoch genaueste Bilder der Umgebung, gepaart mit Atmosphäre, Emotion, Gefühl, Idyll, Schrecken, Witterung, Vegetation und Alltag. Sie beschreibt Orte, die jeder meint zu kennen und schafft somit Nähe und das Gefühl, selbst einmal dort gewesen zu sein. Hier nutzt sie gut und gern Details und kleine Alltäglichkeiten. Bizarre Orte, tiefe seelische Abgründe, die nasskalte Dezemberluft, leichter Frost, erster Schnee, interaktive Foren, Chaträume und Netzwerke, entsetzliche Kulissen, aber auch die gute biedere Gemütlichkeit und Geborgenheit einer sich langsam anbandelnden neuen Partnerschaft zwischen Wolf und seiner Nachbarin Moni. Nané Lénard bietet dem Leser einen Blick in die Welt der häuslichen Gefangenschaft, des Teeniealltags, der Krankheit und unheilbaren Diagnose, der Selbstzerstörung und der psychischen Erkrankungen und Suizidgedanken, Isolation und Wahnvorstellungen. Spürsinn, Gerechtigkeit, Skrupellosigkeit, Moral, Ethik, eine verflossene Liebe, das verkorkste Dasein, die labilen Phasen eines scheinbar manischen Opfers....und und und. All das bietet Wolf Hetzers siebter Fall.

„Das ohrenbetäubende Brüllen der Stille ließ Worte nicht zu.“ (Seite 291)

Meinung:
Dieser Thriller ist wahrlich kein Standard, allein durch die Wahl der wechselnden Erzählperspektiven und kurzen Kapitel und den beklemmenden Wechsel der Blickwinkel. Ich war von Beginn an gefesselt, war entsetzt und fasziniert sogleich. Diese Neuartigkeit des Lesegefühls, ein stimmiges und sofort sympathisches Ermittlerteam, die Vollkommenheit trotz siebten Bandes. In diesem düsteren und gesellschaftskritischen Fall ist es die Ahnungslosigkeit des Lesers bis zum Schluss, die besonders beeindruckt. Diese Andersartigkeit, diese Erkennungsmarke, all diese vielen Details, das Leben welches so schnell und tragisch an Wert verliert, die Profitgier anderer die sich daran ergötzen…, die Eigensinnigkeit von Ermittler Wolf Hetzer, die Krankheit seiner Ex Frau Susanne, sein unbekannter Sohn und nun Kollege im Team Niklas, der ähnliche Fall der drei Teens aus Hannover, der Freitod des Günther Rinner und die bestialisch erschütternden Recherchen und Fakten der Mordfälle, der Bezug zu großen Ermittlungsirrtürmern, die gescheiterten Seelen und Existenzen, die Motivation des Killers.... hat mich gleich auf ihre Seite geholt und mich ans Buch gefesselt. Einziges Manko, welches den Lesefluss etwas stocken lies, waren einige undurchsichtige Verschachtelungen, wo der Leser selbst zunächst nicht erkennen und deuten konnte, was nun Zusammenhang oder Nebenhandlung darstellt. Aber auch das erliest sich schnell. Ebenso wie die vielen Charaktere und ähnlich lautenden Namen wie Bruni, Berti und Birte. Hier muss man zunächst sortieren und sich ein Bild schaffen. Stellenweise wurde es dadurch für mich kurz etwas verwirrend. Aber die Autorin Nané Lénard lässt den Leser nicht lange im Dunkeln und holt ihn schnell wieder ab.

Cover / Buch:
Das Taschenbuch ist hochwertig und ansprechend verarbeitet. Das Cover ist ein absoluter Eyecatcher und mehr als ansprechend. Das Schriftbild ist sehr angenehm, die Kapitel sind sehr kurz, aber das stört in diesem unterhaltsamen und gesellschaftskritischen Fall gar nicht. Der Titel „SchattenSucht“ macht neugierig und nimmt enormen Bezug zur Handlung auf. Das Cover gefällt mir mehr als gut, der Klapptext hatte es mir angetan. Wunderbar. Eine sehr interessante Ermittler-Thriller-Reihe mit Suchtfaktor.

Die Autorin:
„Nané Lénard wurde 1965 in Bückeburg geboren und ist Mutter von zwei erwachsenen Kindern. Nach dem Abitur und einer Ausbildung im medizinischen Bereich studierte sie später Rechts- und Sozialwissenschaften sowie Neue deutsche Literaturwissenschaften. Von 1998 an war sie als Freie Journalistin für die regionale Presse tätig. Ab 2009 arbeitete sie für unterschiedliche Firmen im Bereich Marketing und Redaktion. Seit 2014 ist Lénard als freiberufliche Schriftstellerin tätig. Von ihr wurden neben den Romanen bereits mehrere Gedichte und Kurzgeschichten veröffentlicht."

Fazit:
Ein grundsolider Thriller mit vielen nennenswerten Pluspunkten und interessanten Stärken! Ein 4 Sterne + Lesehighlight der überraschenden und unterhaltsamen Art.

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