*Fotografie gelingt es, die Zeit festzuhalten, einen Augenblick, eine Emotion. Sie kann der Erinnerung die nen – gleichwohl kann sie Räume öffnen.*
Die Fotografin Christine Fenzl porträtiert Kinder und Jugendliche unter einem bestimmten Blickwinkel. In „Land der Sonne“ sind es die Jugendlichen Berlins, die vor die Kamera kommen. Grenzen – sichtbare oder nicht sichtbare – spielen in ihren Werken eine große Rolle. So ist es auch hier ein Aufeinandertreffen von Vergangenheit und Zukunft. Die Jugendlichen gehören der ersten Generation an, die nach dem Mauerfall aufgewachsen sind.
Schon das Vorwort von Nan Golding bereitet auf die Werke und deren Bedeutung vor. Es überraschte durch die sichtbare persönliche Beziehung und ein tiefes Verständnis für die Fotografin Fenzl. Aus Dani Levys Vorwort möchte ich Folgendes zitieren, da es die Stimmung des Buches gut einfängt:
*Es ist das Wunder der Fotografie, dass sie den Moment festhält und in diesem einen Moment den Fluss der Dinge, den Lauf der Geschichte erzählt. (…) Fenzls Fotos bilden eine neue Welt in einer alten Welt. Die untergegangene DDR, der gescheiterte Sozialismus, lebt in den Menschen weiter, ob sie es wollen oder nicht.*
Christine Fenzl erzählt in ihrem Textbeitrag über die Motivation zur Bilderserie. Da sie selbst die Wende in Berlin miterlebt hat, kennt sie die schnelle Veränderung, die manche Stadtteile befallen hat. Mit ihren Fotografien will sie Momente festhalten, die es vielleicht so bald nicht mehr gibt. Vorwiegend in den Stadtteilen Hellersdorf, Marzahn, Lichtenberg und Hohenschönhausen nimmt sie Kontakt auf mit ihr vorerst Fremden und porträtiert die Jugendlichen.
In die passende Stimmung brachte mich schon das erste Bild – ein Ausblick auf für mich riesig scheinende Plattenbauten in Mahrzahn. Wie es sich wohl in so einer Siedlung lebt? Mit diesem Bild und der Frage im Hinterkopf habe ich die Porträts der Jugendlichen betrachtet. An der Schwelle zum Erwachsenwerden, stehen sie auch in dieser Hinsicht für das Ineinanderübergehen von Grenzen.
Immer wieder wechselnd sich Häuser/Wohnraum mit den Porträts ab. Es erstaunte mich, wie der Fotografin durch das Spiel von Licht und Schatten künstlerische Fotos der Plattenbauten gelungen sind, finde ich sie doch optisch wenig ansprechend. In manchen Fotografien findet sie das Schöne in der Uniformität der Bauten, in anderen pickt sie bewusst solche Orte heraus, die das Gleichförmige durchbrechen. Mit dabei sind auch einige Blicke ins Innere der Wohnungen. Bei manchen – besonders solchen, die das Nebeneinander großer Plattenbauten mit von hohem Gras überwucherten Brachflächen zeigten – hatte ich das Gefühl ganz wo anders zu sein, sicher aber nicht in der Hauptstadt Deutschlands.
Die Porträts wollen die Persönlichkeit der Jugendlichen in den Vordergrund rücken, das Individuelle im Kontrast zu den uniformen Wohnsiedlungen. Was aber kann ein einzelnes Bild über die Persönlichkeit aussagen? Mehr als ich gedacht hätte. Schon allein die persönliche Kleiderwahl unterscheidet die abgelichteten Jungs und Mädchen. Ihr Verhalten vor der Kamera – ob in Pose geworfen, extra cool oder doch eher schüchtern den Blick gesenkt – die Fotos werfen nicht alle in einen Topf, sondern zeigen im Gegenteil die Unterschiede zwischen ihnen auf.
Ob bewusst oder nicht, mir gefiel auf der Stimmungswechsel, der sich durch die Aneinanderreihung der Fotografien ergab: Oft waren die Bilder der Plattenbauten mehr durch Schatten als durch Licht geprägt. Abendstimmung kam auf, die durch kleine Details das Nagen der Zahn der Zeit andeuteten und den Blick auf die Vergangenheit richteten. Die Jugendlichen hingegen werden so gut wie immer in vollem Licht gezeigt, bringen über diese Beleuchtung eine hoffnungsvolle Zukunftsstimmung hervor, die im Kontrast zu ihrer Wohngegend steht.
Fazit: Die Fotoserie hat Fragen aufgeworfen, Geschichten erzählt und ihre Protagonisten – seien es die Plattensiedlungen oder die Jugendlichen – ins Rampenlicht gestellt. Selten hatte ich den Eindruck, dass Fotografien ohne Worte, ohne Erklärungen so viel zu sagen hatten.