Nanae Aoyama ist mir das erste Mal mit ihrem Roman »Eigenwetter« aufgefallen, der mich allerdings nicht zu begeistern wusste. Vielleicht lag ihm ein Zauber inne, der mich einfach nicht gefunden hat. Ganz anders ist es bei »Bruchstücke«, den drei neuen Erzählungen der japanischen Autorin.
An dieser Stelle muss ich allerdings kurz auf die etwas unglückliche Vermarktung des Cass-Verlags hinweisen, der ansonsten immer sehr tolle Arbeit leistet: Ich habe das Buch im Glauben bestellt, einen Roman zu erhalten. Selbst nachdem ich den Klappentext auf dem Buchrücken gelesen hatte, dachte ich das noch. Dass es sich um drei Erzählungen handelt, erkennt man wirklich erst, wenn man das Inhaltsverzeichnis vor Augen hat. (Fairerweise muss ich sagen, dass auch nirgends steht, dass es ein Roman sei.) Das nur zur Info!
Alle drei Geschichten konnten mich sowohl stilistisch als auch inhaltlich für sich gewinnen. Sie sind, wie der Verlag es auch selbst deklariert, »wunderbar beiläufig«. Für manche ist das vielleicht ein Synonym für »langweilig« - all jenen kann ich von der Lektüre nur abraten. Wer dagegen die ruhigen Romane und Kurzgeschichten von bspw. Yoko Ogawa, Banana Yoshimoto, Hiromi Kawakami und auch Haruki Murakami (die nicht-surrealen Liebesgeschichten) mag, der sollte sich auch durch Nanae Aoyamas Erzählungen verzaubern lassen. Sie drehen sich um alltägliche Beobachtungen oder Augenblicke, um das Besondere in alltäglichen Situationen oder Blickwinkel, die Gewöhnlichem etwas Sinnliches, Bedeutendes und Nachdenkliches verleihen. Das alles wird mit wenigen Worten und noch weniger Adjektiven geschildert. Absolut gelungen!
Wer also Kurzgeschichten und Erzählungen mag, insbesondere diejenigen, denen der Funken Magie zugrunde liegt, auf den man häufig in japanischer Literatur stößt, der sollte sie unbedingt lesen.
Lebenslauf von Nanae Aoyama
Quelle: Verlag / vlb
Alle Bücher von Nanae Aoyama
Eigenwetter
Bruchstücke
Neue Rezensionen zu Nanae Aoyama
Mit Eigenwetter eröffnete sich mir eine ferne Welt. Wenn die junge Chizu Minka surume (getrockneten Tintenfisch) schneidet, kinski (geröstetes Sojabohnenmehl) verwendet oder es warabi-mochi (Würfelgelee) gibt. Oder die ungewohnten Ortsnamen Ikebukuro, Shinjuku, oder der Bahnhof Sasazuka. Aber Jintan-Kräuterpillen sind eben auch nur Kräutertabletten und die 21 jährige Chizu, ein kluges, etwas verlorenes Mädchen auf der Suche nach Liebe, Geborgenheit, einer Zukunft und vor allem nach sich selber... Mehr zur Geschichte bei www.dievorleser.blogspot.de
In Eigenwetter begleiten wir Chizu, eine junge und unabhängige Frau, die nach der Scheidung der Eltern nicht mit der Mutter nach China geht, sondern in Tokio bleibt. Hier kommt sie bei Ginko, einer weit entfernt verwandten und alten Frau unter. Chizu scheint sich für nichts zu interessieren, sie hat keine Freunde, keine Hobbies und keinen Plan für die Zukunft. Ginko ist da aus ganz anderem Holz geschnitzt, trotz ihres betagten Alters, sprüht sie vor Lebendigkeit und genießt das Leben auf ihre Weise.
Nanae Aoyama präsentiert mit dem Roman - Eigenwetter - eine ruhige und unaufgeregte Erzählung, die mich ein wenig an Fuminori Nakamuras - Der Dieb - erinnert hat. Vorallem der ähnliche Stil, der ohne lange und verschachtelte Sätze auskommt, hat mir gefallen. Inhaltlich sind sie eher konträr: Das eine ist ein unkonventioneller Thriller und das andere ein unkonventioneller Comig of Age Roman. Wahrscheinlich trägt auch die Protagonistin Chizu einiges dazu bei, denn sie ist keine sehr sympathische Frau. Für eine gut erzählte Geschichte ist aber der Charakter der Hauptprotagonistin ohnehin zweitrangig.
Mit diesem Roman hat Nanae Aoyama den Akutagawa Literaturpreis gewonnen, der als bedeutendste Auszeichnung für japanisch sprachige Autoren gilt und bis auf ein paar Ausnahmen seit 1935 halbjährlich vergeben wird. Vergleichbar wäre die Auszeichnung in etwa mit dem Prix Goncourt für die französische Literatur. Hauptexport der japanischen Literatur ist wohl Haruki Murakami und daneben gibt es eine Reihe von weiteren Schriftstellerinnen und Schriftstellern, die mir es angetan haben: Banana Yoshimoto, der oben bereits genannte Fuminori Nakamura und Ruth Ozeki. Es gibt wohl noch viele mehr und diese sind nur ein Bruchteil derer, die auch ins Deutsche übersetzt worden sind. Hoffentlich gibt es von Nanae Aoyama bald mehr auf Deutsch, denn ihre Werke werden bestimmt weiterhin einen Weg in mein Bücherregal finden.