Rezension zu "Amish für Anfänger" von Nancy Sleeth
Das Buch ‚Amisch für Anfänger‘ von Nancy Sleeth ist so kontrovers, dass man ganze Seiten darüber schreiben könnte. Zuerst einmal das Positive: Das Buch lässt sich unheimlich gut lesen, der Schreibstil hält den Leser am Buch. Man kommt schnell durch die Kapitel, und auch, wenn der Ärger über den Inhalt immer weiter wächst, habe ich das Buch gern gelesen. Nur so kann ich die drei Sterne auch rechtfertigen, die ich vergeben werde. Zum zweiten sind die Grundideen der Autorin sehr gut, aber sehr heuchlerisch von ihr umgesetzt.
Schon das Cover – ein Hingucker und auf den ersten Blick gut gelungen – sollte den Leser stutzig machen, denn eine brotbackende tätowierte Frau mit auffälligem Schmuck und einer modischen Schürze repräsentiert tatsächlich die Autorin und ihre Ideen. Von Amisch kann hier keine Rede sein. Hier hat eine reiche Frau, die viel Zeit und Muße hat, von ihrem wohlhabenden Leben genug. Kurzerhand stellt sie einiges um. So, wie wir alle von der Übermacht der Medien und vom Konsum geleitet, ja sogar aufgefressen und vereinnahmt werden, so geht es auch der Autorin. Sie zieht die Reißleine und versucht, ihr Leben zu vereinfachen. Sie meint sogar, sie würde ihr Leben an das einfache Leben der Amisch annähern.
Je weiter man liest, desto mehr bemerkt man hier die große Mogelpackung. Die Autorin hat zwar ihr Leben verändert, ja, für einen Amerikaner scheint es auch, dass sie ihr Leben vereinfacht hat. Aber: Sie tut dies immer gerade so weit, dass sie nicht aus ihrer Komfortzone heraus muss. Also lautet hier das Motto eher: Simplify, solange es Spaß macht. Mit diesem Konzept verdient sie nun mit Vorträgen und Büchern das große Geld in den USA.
Beim weiteren Lesen wird immer deutlicher, dass die Autorin nicht wirklich das lebt, was sie vorgibt. Immerhin ist sie soweit ehrlich, denn man kann z.B. lesen, dass sie versucht, soweit wie möglich ohne Computer zu leben, aber dort z.B. auch liebend gern Videos für ihre Freizeit bestellt. Sie sagt z.B., sie hat keinen riesengroßen Flachbildfernseher, aber später kann man zwischen den Zeilen lesen, dass sie eben doch einen Fernseher hat. Sie muss ja auch die bestellten Videos schauen können!
Das eigentliche einfache Leben der Amisch hat sie m.E. gar nicht verstanden. Aber im Titel des Buches ist dies sicherlich ein attraktives Wort, das auch mich angezogen hat, obwohl ich wusste, dass Sleeth keine Amisch ist.
So scheint dieses Buch immerhin für Amerikaner ein gefundenes Fressen, denn es gibt mittlerweile viele, die in ihrer Langeweile und ihrem Überfluss einfach Neues suchen. Erkenntnisse, wie z.B., dass man ja auch ohne Wäschetrockner auskommen könnte, dass man Wäsche auch auf der Leine trocknen kann, sind für einen Deutschen oder Europäer lächerlich, und damit kann der Amerikaner dieses Buch vielleicht gut lesen, für uns hier ist es eher unpassend.
Die Übersetzung ist sehr fraglich. Immer wieder wirkt die Übersetzung eher holprig. Und wenn ein Übersetzer/eine Übersetzerin ‚apple sauce‘ mit ‚Apfelsauce‘ übersetzt, dann sollte er/sie vielleicht einfach den Job wechseln, denn dies ist noch nicht einmal landestypisches Wissen, sondern hätte man sogar im Wörterbuch finden können!
Trotz all dieser Punkte bin ich bei ‚Amisch für Anfänger‘ geteilter Meinung. Ja, das Buch macht Sinn, aber man hätte es anders aufziehen müssen. Anfangs sollte es ganz sicher in mein Behalt-Regal wandern; mittlerweile ist das nicht mehr sicher. Wieviel Sterne man vergeben kann, weiß ich nicht, ich entscheide mich für die Mitte: 3 Sterne trotz der sehr vielfältigen Kritik. Immerhin denkt man wieder einmal selbst darüber nach, wie man sein Leben vereinfachen kann – Denkanstöße gibt es garantiert, aber man muss selbst etwas daraus machen!