Rezension zu "Neues Lexikon der Benimmirrtümer" von Nandine Meyden
Es gibt Momente im Leben, die den Wunsch erwachen lassen, in einer Parkettritze oder einem Mauseloch verschwinden zu dürfen. Einen solchen erlebte ich bei (m)einem (ersten) Besuch eines Drei-Sterne-Restaurants (Guide Michelin). Bis zu diesem unsäglichen Moment glaubte ich doch tatsächlich über zumindest halbwegs akzeptable Benimmkenntnisse zu verfügen. Sobald ich jedoch am Tisch saß, hätte ich Manieren oder Umgangsformen nicht einmal mehr buchstabieren können. Das lag allerdings nicht nur an besagtem Restaurant oder dem Personal, sondern und vorwiegend an dem Personenkreis, mit dem ich dort war. Kurz: Es war der schlimmste Restaurantbesuch meines Lebens und ich kam mir vor wie der letzte Trampel.
Gesellschaftliches Parkett kann bekanntermaßen spiegelglatt und voller Fettnäpfchen oder Stolperfallen sein. Doch bisweilen kann man ihm nicht ausweichen. Manchmal muss man sich einfach draufwagen. Man kann im Vorfeld natürlich entsprechende Kurse besuchen. Etwas sicherer fühlt man sich auch, wenn man nach einem praktischen Helfer, etwa dem Buch Neues Lexikon der Benimmirrtümer, greifen kann, hat es doch zudem den Vorteil, dass man es immer wieder zur Hand nehmen kann. Verfasst wurde es von Nandine Meyden, die seit 2005 als Etikette-Expertin bei Hier ab vier, einer MDR-Sendung, tätig ist. Daneben bietet sie seit mehreren Jahren Benimm-Seminare für namhafte Firmen, Verbände, Prominente und Politiker an. Aus der Feder der 1966 in München geborenen Autorin stammt auch der bei Ullstein erschienene Vorgängerband Lexikon der Benimmirrtümer.
Nachdem man in Meydens Lexikon der Benimmirrtümer unter anderem erfahren konnte, ob sich Sprudel zum Zuprosten eignet oder nicht, ob Casual Friday tatsächlich automatisch Freizeitlook heißt, wie man sich mit eine sperrigen Gräte im Mund verhält oder was man unter Pünktlichkeit zu verstehen hat, bekommt man mit ihrem Buch Neues Lexikon der Benimmirrtümer über 90 weitere Benimm-Hilfen in die Hand. Damit fällt dann beispielsweise der von mir angesprochene Restaurantbesuch leichter. Nicht nur was das Essen an sich, auch was die Kleiderauswahl oder das Äußere allgemein betrifft. Es gibt auch Hilfestellungen für die Kommunikation. Das alles natürlich nicht nur während eines Essens privater oder geschäftlicher Natur, sondern etwa auch bei Beerdigungen, im Büro, bei Auslandsaufenthalten und so weiter.
Das Buch ist nach der Einleitung in drei größere Kapitel - Kommunikatives, Kulinarisches und Äußeres - geteilt. Wie bereits das Lexikon der Benimmirrtümer, findet sich auch in diesem Sachbuch jeweils eingangs dieser größeren Kapitel ein tabellarischer Test, bevor in kleinen Einzelkapiteln die entsprechenden Benimmregeln erklärt werden. Nach einem Schlusswort gibt es dann noch einmal die Testtabellen mit den Auflösungen,bevor das Buch mit einem Register ausklingt, welches das Nachschlagen bestimmter Situationen und passender Verhaltensweisen erleichtert.
Wer allerdings denkt, nach der gewissenhaften Lektüre beider Ullstein-Titel gegen sämtliche Fettnäpfchen gefeit zu sein, liegt falsch. Auswendiglernen bringt - so die Autorin - zusammen mit dem strikten Befolgen der korrekten Verhaltensregeln nicht zwingend einen stilvollen Auftritt oder perfekte Umgangsformen mit sich. Das liegt zum einen darin begründet, dass ihrer Meinung nach beides nur in Verbindung mit der richtigen inneren Haltung authentisch wirkt. Zum anderen, meiner Ansicht nach, vielleicht teilweise auch darin, dass die Fettnäpfchen sich ja hin und wieder leicht ändern, neue geboren und alte wiederentdeckt werden und vermutlich grundsätzlich glücklicherweise niemand gänzlich vor ihnen gefeit ist. Manchmal liegt es auch daran (so wieder die Autorin) dass Regeln gebrochen werden müssen, weil äußere Bedingungen sich ändern oder die Nichtbeachtung einer Regel anderen Beteiligte unangenehme Situationen erspart.
Fazit: Einen Teil der Regeln habe ich gekannt, einen weiteren Teil nur bedingt. Einige Regeln waren mir neu, ebenso wie ihre Hintergründe. Ob Meydens Buch Neues Lexikon der Benimmirrtümer im Fall der Fälle wirklich weiterhilft, muss jeder für sich selbst bewerten. Grundsätzlich ist es leicht lesbar, teils mit amüsanten Hintergrundinformationen gespickt und insgesamt übersichtlich aufgebaut. Das Register erleichtert, wie bereits angedeutet, das Nachschlagen. Insgesamt möchte ich für dieses Sachbuch vier von fünf Punkten vergeben.
Antje Jürgens (AJ)