Rezension zu "Warum ich euch nicht in die Augen schauen kann" von Naoki Higashida
Als Yoshida und David Mitchell erfahren, dass ihr kleiner Sohn ein Autist ist, bricht für die beiden beinahe die Welt zusammen. In mühevoller Kleinstarbeit suchen sie nach Informationen und nach nützlicher Lektüre. Die Ratgeber, die von erwachsenen Autisten verfasst wurden, sind im täglichen Umgang mit ihrem kleinen Sohn nicht brauchbar.
Dann erhalten sie Naoki Higashidas Buch auf japanisch, das der Autor im Alter von dreizehn Jahren geschrieben hat. Das Ehepaar übersetzt das Buch zunächst für den Eigengebrauch und sorgt anschließend dafür , dass dieses Buch zunächst auf Englisch und dann in weiterer Folge auf Deutsch erscheinen kann. Damit können sich Eltern, Ärzte, Therapeuten und Pädagogen ein Bild machen, was in ihren Kindern bzw. Schützlingen vorgeht.
Das Buch liefert „den Beweis, dass in einem scheinbar hilflosen autistischen Körper ein eingesperrter Verstand sitzt, der genauso neugierig und komplex ist“, wie bei jedem anderen Menschen (Vorwort von David MItchell).
Anhand von 58 Fragen, die ihm so oder so ähnlich gestellt worden sind, erklärt Naoki Higashida, wie er und zahlreiche andere Autisten die Welt sehen. Natürlich gibt es persönliche Unterschiede oder Qualitäten. Er erläutert, was Zeit für ihn ist oder warum er so gerne im Wasser ist. Außerdem räumt er mit dem Vorurteil auf, dass Autisten nichts fühlen (können). Naokis Antworten auf Fragen sind klar, auch wenn der eine oder andere Satz ein wenig holpert. Man bedenke, dass das BUch von einem Dreizehnjährigen geschrieben und zwei Mal übersetzt worden ist,
«Wer echtes Mitgefühl hat, verletzt den anderen nicht in seiner Selbstachtung.» (In der Antwort zu Frage 6) Diesen Satz sollte sich jede/r, wirklich jede/r hinter die Ohren schreiben, denn man ihn in so ziemlich jeder Lebenslage anwenden.
Was ist das Schlimmste am autistisch sein? (Frage 23)
«Ihr macht euch keinen Begriff. Wirklich, ihr habt keine Ahnung, wie unglücklich wir sind. (…) So ist es kein Wunder, dass wir uns immer wieder fragen, warum wir überhaupt als menschliche Wesen in diese Welt hineingeboren wurden. Aber ich bitte euch, all die unter euch, die den ganzen Tag mit uns zusammen sind, verliert nicht die Nerven im Umgang mit uns. Denn wenn ihr das tut, ist es, als würdet ihr unserem Leben jeglichen Wert absprechen – und das nimmt uns die Energie, die wir brauchen, um tapfer weiterzumachen.»
Interessant ist, wie sich der 1992 geborene Naoki selbst sieht:
«Wir sind so eine Art Reisende aus einer fernen, fernen Vergangenheit. Und wenn wir durch unser Dasein dazu beitragen könnten, dass die Menschheit sich daran erinnert, was wirklich wichtig ist für unsere Erde, dann würde uns das eine stille Freude schenken.»
Zwischen einigen Antworten können wir philosophische Gedanken von Naoki lesen und zum Abschluss dürfen wir eine einfühlsame Geschichte von Naoki Higashida lesen. In «Ich bin noch da» rührt er seine Leser zu Tränen.
Fazit:
Diesem interessanten Einblick in die Gedankenwelt eines Autisten gebe ich gerne 5 Sterne und eine unbedingte Leseempfehlung.